Wenn bei der Planung von Neubauten gefordert wird, es sei auch die Barrierefreiheit zu berücksichtigen, dann wird oft die Frage gestellt, ob das denn wirklich notwendig sei und was das kosten soll? Viel zu selten wird aber die Frage gestellt (und noch seltener beantwortet) was das nützt und was es einbringt! Gerade im Bereich des akustisch barrierefreien Bauens lassen sich aber zahlreiche Beispiele benennen, welche ein hervorragendes Kosten/Nutzen-Verhältnis aufweisen. Zwei davon werden hier beschrieben.
Akustisch Barrierefreies Bauen ist ein Beitrag zur Lehrergesundheit
Bundesweit liegt das Alter, in dem Pädagog*innen in (Früh-)Rente gehen zwischen 57 und 58 Jahren. Häufigste Ursachen sind Lärm-Schwerhörigkeit, Tinnitus und Burnout, allesamt Beeinträchtigungen, welche mit überhöhter Geräuscheinwirkung zu begründen sind. Bis zum Alter von 65 Jahren sind das etwa 100 Monate Frührente. Eine akustische Klassenraumsanierung (Sanierung, nicht Neubau!) kostet etwa den Gegenwert von drei Frührenten. Somit könnte man durch eine akustische Klassenraumsanierung nicht nur den Pädagog*innen die Freude am Unterrichten erhalten, sondern auch dem ständigen Mangel an Pädagog*innen durch deren Weiterbeschäftigung abhelfen.
Ein schönes Beispiel einer akustischen Wiedereingliederung ist die Sanierung eines Klassenraumes in Bad Nauheim für eine beidseitig CI-implantierte Lehrerin von 45 Jahren. Dort war bereits das richtige Tragesystem vorhanden, lediglich mit nicht ausreichenden Deckenplatten. Der Austausch dieser Platten durch das richtige Material und der zusätzliche Einbau eines schallabsorbierenden Rückwand-Paneels kosteten insgesamt etwa 3000 €. Auf diese Weise war es der Lehrerin möglich, mit Freude wieder ihren Beruf auszuüben, anstatt über den Verlust des Arbeitsplatzes trauern zu müssen. Auch eine sonst notwendige psychotherapeutische Behandlung musste nicht erfolgen.
Akustisch Barrierefreies Bauen spart Fahrkosten
Eine Weile nach der Fertigstellung des Förderzentrum Augsburg mit dem Förderschwerpunkt Hören berichtete der damalige Schulleiter davon, dass Kinder mit AVWS (ohne Hörschädigung, nur mit einer Beeinträchtigung des Lernens durch Störgeräusche) aus dem gesamten Regierungsbezirk Schwaben in seine Schule kommen, um dort erfolgreich am Unterricht teilzunehmen. Diese Kinder fahren teilweise täglich in jeder Richtung 200 km und sind dafür morgens und nachmittags jeweils über 2 Stunden unterwegs. Das ist darin begründet, dass es wohnortnah keine vergleichbar ausgestattete Schule gibt. Die jährlichen Fahrkosten bezifferte er mit etwa 30.000 €. Für diesen Betrag könnte man in jedem Jahr fünf Klassenräume am Wohnort akustisch nachrüsten. Damit würde man dem Kind die Fahrstrecken und Fahrzeiten ersparen und ihm ermöglichen, am Wohnort Freunde zu finden und sportliche oder kulturelle Aktivitäten auszuführen.
Barrierefreiheit im Neubau ist preiswerter als in der Nachrüstung
Im Zuge der integrativen/inklusiven Beschulung von Kindern an allgemeinen Schulen ist es dort meistens notwendig, den jeweiligen Klassenraum, gegebenenfalls auch noch Fach-Klassenräume und die Mensa, schalltechnisch nachzurüsten. Dann müssen die bisher vorhandenen Baumaterialien herausgerissen und entsorgt werden, bevor die richtigen eingebaut werden können. Damit entstehen zusätzlich zu den Neubaukosten auch Kosten für den Abriss, die Entsorgung, den Schutz des Fußbodens während der Bauzeit sowie für die nochmalige Endreinigung. Schnell ist man bei Kosten zwischen 6000 und 8000 € wobei die Kosten für ein eventuell erforderliches zur neuen Decke passendes Beleuchtungssystem noch gar nicht mitgerechnet sind. Hätte man von vornherein ein akustisch gut geeignetes Deckensystem gewählt, so wären Mehrkosten unter 1000 € angefallen, zuzüglich etwa gleich hoher Kosten für ein schallabsorbierendes Rückwand-Paneel.
Wenn man bedenkt, dass sich durch solch eine Maßnahme nicht nur der Lernerfolg des einen Kindes mit Hörschädigung deutlich verbessert, sondern auch der aller anderen Kinder und Lehrkräfte mit Versteh-Problemen (hierzu zählen auch Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten, mit Deutsch als Zweitsprache und Pädagog*innen mit beginnender altersbegleitender Hörminderung) dann ist der gesamte volkswirtschaftliche Gewinn solch einer Maßnahme immens.
Ein weiterer Gewinn lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Das ist die Verbesserung der subjektiv wahrgenommenen Lebensqualität durch das deutlich ruhigere Verhalten der Kinder in akustisch optimierten Räumen. Durch den deutlich niedrigeren Störgeräuschpegel ändert sich – ohne weiteres Zutun, allein durch den sogenannten „Lombard-Effekt“ – das Verhalten der Kinder. Unabhängig vom Hörstatus haben alle bessere Bedingungen, den Lerninhalt aufzunehmen und zu verarbeiten und damit einen Gewinn für ihr ganzes Leben.
Barrierefreiheit ist für Alle da,
nicht nur für „die Behinderten“!
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