1 Vorwort, Hinweise zur Anwendung dieser Ausarbeitung
Beim Bau bzw. Umbau und Sanierung von Bildungsstätten sind zahlreiche Anforderungen für die akustische Ausgestaltung der verschiedensten Raumarten zu berücksichtigen. Sie dienen einerseits der angemessenen Hörsamkeit bzw. Sprachverständlichkeit innerhalb von Räumen im Zuge des Unterrichts / der Ausbildung und andererseits der Lärmminderung für den Gesundheitsschutz von Mitarbeiterinnen und Schülerinnen.
Trotz (oder auch wegen) der Vielzahl der Regelwerke und Anforderungen kommt es bei der Inbetriebnahme neu errichteter Schulstandorte und auch im Betrieb bzw. bei Umnutzung von bestehenden Schulen regelmäßig zu Beschwerden durch die Nutzerinnen im Hinblick auf die raumakustischen Gegebenheiten. Nachrüstungen und Mängelbeseitigungen sind häufig notwendig und langwierig. Dies gilt insbesondere dann, wenn einerseits die Nutzerinnen im Planungsverfahren (insbesondere „Phase 0“) nicht beteiligt wurden und wenn andererseits während der Planung und Ausführung die optisch-gestalterischen Belange mit höherer Priorität behandelt wurden als die akustischen.
Die Trägerinnen von Schulen und Kindertageseinrichtungen stehen unter einem enormen Kostendruck. Darum wird gern vermieden, außer den Architektinnen und den ohnehin erforderlichen Fach-Planerinnen für Tragwerk und Haustechnik zusätzlich noch weitere einzuschalten. Diese Feststellung gilt mehr für Neubauten und weniger für Sanierungen, wo es wegen offensichtlicher (und offen“hörlicher“) Mängel dann doch schon mal einer Fachfrau bedarf.
Im Zusammenhang mit den notwendigen Kosteneinsparungen möchte beispielsweise die Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB), dass bereits in den frühen Phasen der Planung (und somit noch vor Beteiligung von Fachplanerinnen für Schallschutz und Raumakustik) die entsprechenden planerischen Vorkehrungen für eine gute Hörsamkeit und Sprachverständlichkeit getroffen werden können. Auch Maßnahmen zum Lärmschutz des Personals sollen frühzeitig mit bedacht werden.
Der folgende Text wendet sich deshalb an Leserinnen, welche (bisher ohne vertiefte Kenntnisse des Fachgebietes Akustik) die Planung und den Bau von Räumen in Schulen und Kindertageseinrichtungen unter ganz verschiedenen Aspekten betrachten: die Bauherrinnen, die Nutzerinnen (welche längst nicht immer dieselben sind), die Planerinnen und Fachplanerinnen, die Lieferfirmen, die Handwerksunternehmen und deren Mitarbeiterinnen. Die ausführenden Personen auf der Baustelle sind oft nicht diejenigen, mit denen man die Planung sorgfältig durchgesprochen hat. Verständigungs- und Verständnisprobleme auf der Baustelle haben nicht immer etwas mit dem Hörstatus der Baulärm-geplagten Leute vor Ort zu tun, auch nicht mit deren IQ, sondern bei Mitarbeiterinnen mit internationaler Herkunft oft mit Sprachbarrieren. Deshalb ist eine genaue und nachvollziehbare Planung „von vorne bis hinten“ unumgänglich.
Nach § 7 VOL/A (1) gilt:
Die Leistung ist eindeutig und erschöpfend so zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und dass miteinander
vergleichbare Angebote zu erwarten sind (Leistungsbeschreibung).
Ist das Planungs- und Leistungssoll nicht eindeutig schriftlich festgelegt, entstehen häufig langjährige Rechtsstreitigkeiten darüber, wer wann wie hätte entscheiden müssen und jetzt für den Baumangel haftbar ist. Bei Bildungsbauten ist besonders nachteilig, dass die Nutzerinnen keine Vertragspartnerinnen der Planerinnen sind. Deshalb haben sie keinen Rechtsanspruch auf Gewährleistung. Diesen haben nur die Bauherrinnen. Ob die aber ihre Rechtsansprüche durchzusetzen versuchen, ist fraglich. Das gilt insbesondere, wenn ein renommiertes Planungsbüro mit dem Entwurf dieses Gebäudes einen Wettbewerb gewonnen hat. Akustische Mängel werden dann gern „überhört“, während andere bauphysikalische Mängel (z. B. Wasserschäden) „unübersehbar“ sind.
Die Kapitel 2 bis 5 richten sich an die Bauherrinnen- und Nutzerinnen-Seite, denn hier werden für unterschiedliche Anwendungsfälle die jeweils geltenden Anforderungen beschrieben. Legen Sie Ihre Wünsche und die daraus resultierenden Anforderungen gemeinsam mit den Planerinnen und Unternehmerinnen unmissverständlich schriftlich fest. Das Wort „Vertrag“ kommt von vertragen, nicht von streiten. Im Zusammenhang mit dem Abschluss der Baumaßnahme wird dann ggf. noch das Kapitel 8 mit Hinweisen zur messtechnischen Überprüfung des Erfolges für die Bauherrinnen- und Nutzerinnen wichtig.
Die Kapitel 6 und 7 richten sich vorrangig an die Planerinnen und die Fach-Planerinnen. Sinnvoll ist aber natürlich immer wieder, wenn die Eine auch über die Notwendigkeiten der Anderen (zumindest ansatzweise) Bescheid weiß. Dann werden nämlich die gegenseitigen Abstimmungen einfacher. Auch bei den verschiedenen in diesen letztgenannten Kapiteln behandelten Aspekten sind immer wieder Entscheidungen der Bauherrinnen und (nicht zu vergessen) der Nutzerinnen gefragt.
In den vergangenen Jahren habe ich knapp 250 Gutachten zu Einzel-Maßnahmen (Neu- und Umbau) und etliche Veröffentlichungen geschrieben sowie Vorträge und Seminare gehalten. Die Beschreibungen sind also mit vielen Erfahrungen (auch mit schlechten) belegt. Etliche davon sind im Kapitel 9 als warnende Beispiele beschrieben.
Trotz dieser vielen in den vergangenen Jahren gesammelten guten und schlechten Erfahrungen gibt es auch einen Bereich, in dem (nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen Kolleginnen) nur wenige theoretische und fast noch gar keine praktischen Erfahrungen vorliegen. Das sind die – hochinteressanten – neuen Konzepte des offenen und selbständigen Lernens in Räumen, die es so bisher noch gar nicht bzw. nur vereinzelt gibt. Wenn diese Art des Lernens für ALLE[1] Schülerinnen so hilfreich ist, wie es die ersten Ergebnisse zeigen, dann haben die Systeme „eine Klasse – ein Raum“ bzw. „eine Nutzungsart - ein Raum“ ausgedient. Hier müssen alle Planerinnen (und sicher auch alle Nutzerinnen) erst einmal Fehler machen, um daraus zu lernen. Wie man dann mit den hier beschriebenen klassischen Raumzuordnungen umgehen wird und wie man Räume im Bestand an die neuen Nutzungen anpassen kann, ist erst noch zu entwickeln. Das wird sicher eine spannende, aber sehr lohnende Aufgabe. Sie ist nur in offener Kooperation aller Beteiligten zu lösen. An dieser Stelle die Nutzerinnen vom Planungsprozess fernzuhalten oder gar auszuschließen nach dem Motto „die stellen doch nur überzogene Anforderungen“, wäre ein völlig ungeeigneter Ansatz. Hier trifft das Motto der Barrierefrei-Bewegung der vergangenen Jahrzehnte:
Nichts über uns ohne uns!
Bitte bedenken Sie, dass auch die hier bisher vorliegenden allgemeinen Beschreibungen der konventionellen Gestaltung von Bildungsbauten natürlich keine Besonderheiten des aktuellen Einzelfalles berücksichtigen können. Dazu ist vielmehr jeweils eine projektbezogene Beratung sinnvoll. Entsprechend können aus diesen Darstellungen auch keine Haftungsgründe abgeleitet werden. Zögern Sie deshalb bitte nicht, bei Erkennen eines Beratungsbedarfes auch Fachplanerinnen hinzuzuziehen. Während meiner 25 Jahre als Schadens-Gutachter habe ich nicht nur einmal gesagt:
Wenn ich hinterher komme und sage
„Das hätte ich schon vorher sagen können.“
dann könnte ich das doch schon vorher sagen…
Wenn im Bestand saniert werden muss, dann ist vorher eine messtechnische Aufnahme der vorhandenen Situation unbedingt sinnvoll, denn nicht nur im Wörterbuch kommt „Diagnose“ vor „Therapie“. Wohl deshalb werden nach meinen Beobachtungen auch bei Sanierungen Fachleute öfter eingeschaltet als bei Neuplanungen. Je besser man die Mängel kennt, desto sachgerechter können auch die Abhilfe-Maßnahmen festgelegt werden.
[1] gemeint ist hier die Idee eines allumfassend inklusiven Unterrichts
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