4.4 Lüftung und Schallschutz der Räume
Noch vor wenigen Jahren - Anfang der Zwanziger und zu Zeiten von „Corona“ - herrschte vielerorts die Meinung, man könne mit „dezentralen Raumluft-Filteranlagen“ die Qualität der Raumluft in den Griff bekommen. Diese Geräte waren aber nicht nur zu laut für den Unterricht (Ruhe 2022-1), sondern sie haben weder die gesamte Luft des Raumes für die Filterung erreicht (Ruhe 2022-2), noch konnten sie den Wasserdampf oder den CO2-Gehalt der Luft verringern.
Veranlasst durch diese Veröffentlichungen hat z. B. die Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung im März 2022 folgendes Schaubild herausgegeben:
Abbildung 4.4: Flyer der BSB Hamburg zur effektiven Lüftung von Klassenräumen
Die richtige Vorgehensweise zum Lüften von Räumen haben Tiesler et al. vom Bremer ISF bereits 2008 beschrieben und die Forschungsergebnisse nicht nur als Bericht, sondern auch als Flyer (ISF 2008) veröffentlicht. Der Forschungsbericht selbst ist z. B. bei der Unfallkasse Niedersachsen nachzulesen (UK-NDS 2008). Von der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz, Fachabteilung Gesundheit und Umwelt in Hamburg gibt es ein Merkblatt „Lüften von Klassenräumen“ mit dem Stand vom November 2008 (FUHH 2008). Und nicht zuletzt macht die ASR A3.6 "Lüftung" genaue Vorgaben.
All das war zu Corona-Zeiten vergessen (und ist es auch noch heute weitgehend). Eine nächtliche Belüftung von Schulräumen (mit nur kleinen Lüftungs-Oberlicht-Klappen) soll jetzt nur noch der „Nachtauskühlung“ von Betondecken dienen. Die werden aber, weil oberhalb der schallabsorbierenden Unterdecke, gar nicht von der kühleren Nacht-Luft erreicht und können aus dem gleichen Grunde auch tagsüber nicht die Wärme der Schülerinnen aufnehmen.
Gesetzt den Fall, das würde doch funktionieren, so wären die kleinen Lüftungs-Oberlicht-Klappen aber nicht geeignet, die für die Unterrichts-Zeiträume vorgegebenen Stoßlüftungen zur CO2-Abfuhr im Abstand von jeweils etwa 20 Minuten mit einer Lüftungsdauer von 2 Minuten zu ermöglichen.
Tabelle 4.4: Tabelle 3 aus ASR A3.6: Mindestöffnungsfläche für kontinuierliche Lüftung und für Stoßlüftung
Nach Tabelle 3 der ASR A3.6 ist bei einseitiger Lüftung, wie sie bei Unterrichtsräumen der übliche Fall ist, für einen 3,0 m hohen Klassenraum bei einer Raumtiefe bis 7,5 m (= Klassenraum-Breite) eine Öffnungsfläche der Fenster von 1,05 m²/10 m² Grundfläche erforderlich. Bei Grundflächen von Klassenräumen um 65 m² muss dann die Fläche für Frisch- und Fortluft gemeinsam 6,8 m² betragen. Bei drei Fenstern in der Außenwand sind das also 2,3 m² je Fenster, bei vier Fenstern 1,7 m² je Fenster. Das ist deutlich mehr als nur Oberlicht-Klappen!
Bei einer Querlüftung, also durch einen Klassenraum über den Flur hinweg und durch den gegenüberliegenden zweiten, reduziert sich der Faktor auf 0,60 m²/10 m² Grundfläche und damit knapp auf 4,0 m² für die Frisch- und Fortluft-Öffnungen gemeinsam. Jeder der beiden Klassenräume - und entsprechend natürlich auch die Oberlichtfenster auf beiden Flurseiten - braucht in diesen Stoßlüftungs-Zeiten offene Flächen von 2,0 m². Auch das wird von den angekippten Oberlichtern bei Weitem nicht erreicht.
Mit elektromotorischer Steuerung öffnen bei einem Signal des CO2-Wächters die Klappen des einen Raumes. Damit ist aber noch nicht sichergestellt, dass gleichzeitig auch die Fenster auf der gegenüberliegenden Seite öffnen, denn dort kann die Luft noch „gut genug“ sein. Damit funktioniert eine so geplante Querlüftung nicht.
Nimmt man an, die Öffnungsflächen der Flur-Oberlichter seien 0,5 m² groß (und damit für die Querlüftung noch deutlich zu wenig), so reduziert sich die Schalldämmung zwischen den Klassenräumen erheblich. Bei einer Raumlänge von 8,75 m und einer Höhe von 3,0 m beträgt die Flurwand-Fläche knapp 26,5 m². Die Wand hat ein Schalldämm-Maß von mindestens R’w = 50 dB bei 24 m², die Tür Rw = 27 dB bei 2,0 m² und die 0,5 m² Öffnung hat nur 0 dB. Damit errechnet sich für jede der beiden Wände ein resultierendes Schalldämm-Maß von R’w,res = 17,2 dB. Selbst unter der sehr günstigen Annahme, man könne die Schalldämm-Maße für beide Seite addieren, erreicht man vom einen Klassenraum zum anderen nur R’w ≈ 34 dB. Das ist 13 dB weniger als die Mindestanforderung für Klassenraum-Trennwände. Gegenseitige Störungen sind also unvermeidlich.
Im normalen Unterricht wäre das ggfs. noch hinzunehmen, weil in dieser Zeit auch Geräusche von außen hereindringen und ohnehin nicht konzentriert gearbeitet werden kann. Nicht hinnehmbar ist das aber dann, wenn auf einer Seite gerade eine Klassenarbeit geschrieben wird.
Fazit:
Die Stoßlüftung von Klassenräumen muss einseitig möglich sein.
Dazu müssen bei den typischen Klassenraum-Größen die Fenster
in der Summe auf knapp 7 m² geöffnet werden können.
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