5.7       Erforderliche Sprachverständlichkeit nach DIN EN IEC 60268-16

Zusätzlich zur Nachhallzeit können weitere objektive raumakustische Kriterien zur Beurteilung der Sprachverständlichkeit angegeben werden. Hierfür wird in DIN 18041 insbesondere der Speech-Transmission-Index STI benannt. Die Bestimmung der STI-Werte beruht auf der Messung der Verringerung der Signalmodulation zwischen dem Ort der Schallquelle und dem Hörer bei Oktavmittenfrequenzen zwischen 125 Hz und 8000 Hz. Die Sprachverständlichkeit wird nicht nur durch Nachhall- und Störgeräusche, sondern allgemein durch alle fremden Signale bzw. Signalveränderungen herabgesetzt, welche auf dem Weg zwischen Quelle und Hörerplatz auftreten.

Das Messverfahren und die entsprechenden Einschränkungen der Anwendung von STI sind in der Norm DIN EN 60268-16 beschrieben. Im Anhang von DIN EN 60268-16:2021 sind in Tabelle G.1 (hier nur auszugsweise aufgeführt) folgende „Beispiele von STI-Qualifikationsbändern und typischen Anwendungen“ genannt:

Tabelle 5.7.1 Beispiele von STI-Qualifikationsbändern und typischen Anwendungen,
Auszug aus DIN EN 60268-16, Tabelle G.1

Kategorie

STI

Art der Nachrichten-
informationen

Beispiele für
typische Anwendungen

A

0,76 – 0,72

Komplexe Nachrichten,
unbekannte Wörter

Theater, Vortragssäle
Plenarsäle, Gerichtssäle

B

0,72 – 0,68

Komplexe Nachrichten,
unbekannte Wörter

Theater, Vortragssäle
Plenarsäle, Gerichtssäle

C

0,68 – 0,64

Komplexe Nachrichten,
unbekannte Wörter

Theater, Vortragssäle
Plenarsäle, Gerichtssäle

D

0,64 – 0,60

Komplexe Nachrichten,
bekannte Wörter

Hörsäle, Klassenräume
Konzertsäle

E

0,60 – 0,56

Komplexe Nachrichten,
bekannter Kontext

Konzertsäle
moderne Kirchen

F

0,56 – 0,52

Komplexe Nachrichten,
bekannter Kontext

Sprachalarmanlagen Kathedralen

G

0,52 – 0,48

Komplexe Nachrichten,
bekannter Kontext

Zielanforderung für Sprachalarmanlagen

H

0,48 – 0,44

einfache Nachrichten
bekannte Wörter

Mindestanforderung für Sprachalarmanlagen

 

In raumakustisch für inklusiven Unterricht gut gestalteten Klassenräumen üblicher Größe (170 bis 210 m³) liegen z. B. die typischen Messwerte bei Schallausbreitung von der Tafel bis hinten vor der Rückwand in der Kategorie A oder besser, sind also größer als 0,72. Je kleiner die Räume, je kürzer die Nachhallzeiten und je geringer die Abstände zwischen sprechender und zuhörender Person sind, desto höher fällt im Allgemeinen der STI aus.

Für Schülerinnen mit deutscher Muttersprache sind die Nachrichten, die von der Lehrerin bzw. zwischen den Schülerinnen übermittelt werden, meistens recht einfach. Das gilt aber nicht für Kinder mit internationaler Herkunft, die gerade erst dabei sind, Deutsch als Zweitsprache (DaZ) zu lernen, während zuhause noch die Sprache des Herkunftslandes gesprochen wird. Für sie sind die meisten Informationen komplexe Nachrichten. Das gleiche gilt für deutschsprachige Schülerinnen / Studentinnen im Fremdsprachen-Unterricht bzw. -Studium sowie für Fachbegriffe in den MINT-Fächern. In etlichen Master-Studiengängen werden bestimmte Fächer ausschließlich in Englisch gelehrt.

Entsprechend kommt man, anders als in DIN EN 60268-16 aufgeführt, für Unterrichtsräume zu einer Einstufung in die Kategorie C (statt D) mit einem STI-Sollbereich STI = 0,68 … 0,64. In Klassenräumen mit normgerechter Nachhallzeit ist das problemlos zu erreichen, in Hörsälen von Hochschulen mit sachgerechter Ausstattung auch.

Mealings (Classroom acoustic conditions) und Bradley / Sato (The intelligibility of speech in elementary school classrooms), zitiert in der Tabelle 13 von „Akustik im Schulbau“ (2024) beschreiben in Abhängigkeit vom Alter der Schülerinnen folgende Anforderungen an den Sprachübertragungsindex STI und den Abstand zwischen dem Sprachsignal S (signal) vom Störgeräusch N (noise):

Tabelle 5.7.2 Erforderlicher STI und S/N in Abhängigkeit vom Alter

Altersgruppe

Sprachübertragungsindex STI

Signal-Rausch-Abstand S/N

6 – 7 Jahre

 0,75

20 dB

8 – 10 Jahre

 0,70

18 dB

11 Jahre und älter

 0,60

15 dB

 

 

Abbildung 5.7.1 Sprachübertragungsindex STI in Abhängigkeit vom Abstand,
Messergebnisse aus zwei Klassenräumen mit „normgerechter“ (rot)
sowie mit etwa doppelt so langer Nachhallzeit (blau)

 

Abbildung 5.7.2 Beispiel einer dezentralen Raumluft-Filteranlage in einem Klassenraum mit Bestuhlung für Frontal-Unterricht. Die Anlage steht im hinteren Bereich, also nahe bei den Schülerinnen, aber weit entfernt von der Lehrerin.

Abbildung 5.7.3 Schallpegel und Sprachübertragungsindex im Klassenraum nach Abbildung 5.7.2. Vorne (links, nahe der Lehrerin) ist die Sprachverständlichkeit gut; bei einem Schallpegel der Filteranlage hinten von etwa 35 dB(A) bei 750m³/h nimmt sie längs des Raumes nur wenig ab, bei hinten etwa 45 dB(A) für 1600m³/h aber deutlich Ruhe (2022).

Ohne die Geräuscheinwirkungen der Raumluft-Filteranlage ist der STI auch über große Entfernungen sehr gut und sinkt auch bei 7 m Abstand nur knapp unter STI = 0,75 ab. Geringfügig schlechter wird die Situation mit den Geräuschen der Filteranlage in der gedrosselten Betriebsstufe mit 750 m³/h. Bei dem dann vorhandenen Schalldruckpegel im Raum um etwa 35 dB(A) wirkt sich die Raumluft-Filteranlage nur in den großen Abständen vom Lehrerinnen-Standort aus. Dort ist der Sprachschallpegel der Lehrerin am geringsten und die Geräuscheinwirkung der Luftfilteranlage am höchsten.

Bei Soll-Betriebsstufe mit Schallpegeln der Raumluft-Filteranlage zwischen 41 dB(A) vorne in Lehrerinnen-Nähe und 44 dB(A) hinten in der Nähe des Gerätes wird die Situation deutlich schlechter. Bereits in 1 m Abstand ist die Veränderung von 0,90 auf 0,87 nachweisbar, welche mit zunehmendem Abstand von der Lehrerin aber, geringerem Abstand zum Lüftungsgerät deutlich anwächst. In 7 m Abstand wird statt STI = 0,74 nur noch 0,57 erreicht. Insbesondere beim Fremdsprachen-Unterricht, sowie für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache oder mit Hörschädigung sind solche Störgeräusche und die damit verbundenen Verschlechterungen der Sprachverständlichkeit nicht akzeptabel und gefährden erheblich den Unterrichts-Erfolg.

Die in der Corona-Zeit in etlichen Schulen und dort jeweils in mehreren Klassenräumen ausgeführten Untersuchungen haben ganz eindeutig gezeigt, dass an den Zuhörerinnen-Plätzen der Schalldruckpegel von 35 dB(A) nicht überschritten werden darf, damit eine einwandfreie Sprachverständlichkeit gegeben ist. Das ist insbesondere dann zu beachten, wenn – jetzt in der Nach-Corona-Zeit – in bestehenden Räumen für Sprachkommunikation dezentrale Frischluft-Fortluft-Lüftungsanlagen aufgestellt werden sollen. Die günstige Wirkung von 2-Minuten-Stoßlüftungen auf das Lernverhalten (ohne Geräusche während des Unterrichts) wurde von Tiesler et al. (2008) nachgewiesen.