6.2.1   Eingangshalle, Treppenhäuser, Flure, RG B3 (oder besser)

Bitte lesen Sie zunächst die für alle Kapitel „übergeordneten“ Hinweise unter 6.2.

Die Eingangshalle soll den Hereinkommenden „einen Empfang bereiten“. Das geht aber nicht mit einer Raumakustik wie in einer Bahnhofshalle! Bei Eingangshallen von Bildungsbauten, die inzwischen schon unter Denkmalschutz stehen, haben die Planer (Planerinnen gab es damals nur wenige) zwar optisch ein herrschaftliches Aussehen der Räume gestaltet, allerdings mit einem „ehrfurchtgebietenden Dröhnen“. Sowohl bei der Sanierung solcher Räume als auch bei den Neuplanungen sollte man sich aber vor Augen (und Ohren) halten:

Es gibt keine zweite Gelegenheit,
einen „ersten Eindruck“ zu machen.

Treppenhäuser und Flure sind in den Pausenzeiten, insbesondere an deren Beginn, sehr laute Räume, die bei den aufsichtführenden Personen sofort zu Stress-Reaktionen führen. Das Gleiche gilt auch für die Eingangsbereiche in Kindertageseinrichtungen während der Bring- und Abhol-Zeiten. In beiden Fällen steigt nach dem „Lombard-Effekt“ der Stimmeinsatz, um die schon vorhandenen Störgeräusche zu „übertönen“. Die mit diesen Schallpegeln verbundene Gesundheitsgefährdung führt nach der Arbeitsstättenregel ASR A3.7 zu der Forderung nach Lärmminderungsmaßnahmen. Siehe hierzu auch Kapitel 5.6. Der Lombard-Effekt ist aber durch gute Schallabsorption umkehrbar! Die Höhe der Schallpegel ist jedoch nur der eine Aspekt.

Der andere, noch wesentlich dringendere, ist die Notwendigkeit, dass die Durchsagen der überall installierten Beschallungsanlagen nicht nur gehört, sondern auch verstanden werden müssen. Nicht erst die jetzige Fassung von DIN VDE 0833-4:2024-06 „Gefahrenmeldeanlagen für Brand, Einbruch und Überfall“ fordert für Durchsagen über diese Anlagen einen Sprachübertragungsindex STI > 0,50. Siehe hierzu demnächst auch Kapitel 7.11.

Die geforderte (und auch unbedingt notwendige) Sprachverständlichkeit ist aber nur dann zu erreichen, wenn in diesen Räumen eine Schallabsorption mindestens nach den Vorgaben der Raumgruppe B3 erreicht wird. Baupraktisch bedeutet das, dass die Decken von Eingangshallen Fluren in der Höhe bis 3,5 m zu mindestens 50% mit höchstgradig wirksamen Absorbern (αw ≥ 0,90) belegt werden. Bei Eingangshallen ist - je nach deren Höhe - noch deutlich mehr notwendig. Wenn aus gestalterischen Gründen Absorber mit einem niedrigeren Absorptionsgrad gewählt werden, dann sind die Deckenflächen-Anteile entsprechend zu erhöhen.

Bei der anstehenden Überarbeitung der Raumakustik-Norm DIN 18041 wird angestrebt, Eingangshallen, Treppenhäuser und Flure von Schulen und Kindertageseinrichtungen in die Raumgruppe B5 einzustufen, um nicht nur den Aspekt der Sprach-Alarmierung, sondern auch die Lärmminderung besser zu berücksichtigen. Die Überarbeitung der Norm hat aber gerade erst begonnen (Stand Januar 2025).

In Treppenhäusern sind zumindest die horizontalen Deckenflächen vollflächig zu belegen, nicht nur unter dem Dach, sondern auch unter allen Haupt- und Zwischenpodesten. Die Unterseiten der Treppenläufe befinden sich häufig schon in Handreichweite und sind deshalb „nicht so gut“ geeignet.

Treppenhäuser und Flure haben häufig (zumindest näherungsweise) eine Quaderform. Dann ist es sinnvoll, auch an Teilen der Wände Absorptionsmaterial anzubringen, um Nachhallzeit-verlängernde horizontale Echos und Flatterechos zu vermeiden. Weil aber große Flächen durch Fenster und Türen belegt sind, ist hierfür keine pauschale Beschreibung möglich. Vielfach werden nur Wandflächen im oberen Bereich verfügbar sein.

Bei zweihüftigen Fluren wird bisweilen in den Obergeschossen eine natürliche Belichtung und Belüftung dadurch geschaffen, dass die Flure über die Dachflächen der angrenzenden Räume hinausragen, z. B. als Pultdach mit Oberlichtband. Dadurch werden diese Flure sehr hoch, je nach Dachneigung der angrenzenden Räume bis zur doppelten Geschosshöhe. Dann reichen die (relativ zum Volumen) kleinen Deckenflächen allein nicht aus. Vielmehr sind zusätzlich auch Absorber an den Wänden notwendig. Berechnungen anhand von Messungen in beanstandeten Fluren zeigen, dass man in solchen Fällen den Umfang von etwa zwei Dritteln der Deckenfläche oder sogar mehr auch noch an den Wänden ergänzen muss. Siehe auch Kapitel 9….

 

Abbildung 6.2.1: zweihüftiger Flur mit im Obergeschoss extremer Raumhöhe und entsprechend großem Volumen. Wandflächen für weitere Absorber ständen unter dem Oberlichtband zur Verfügung.

Bisweilen stehen die Eingangshalle und die Flure wegen ihrer architektonischen Gestaltung der Decken mit Vouten oder Stuck unterer besonderer „Obhut“ des Denkmalschutzes. Zumindest im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg ist es nicht mehr zulässig, aus Gründen des Denkmalschutzes die Genehmigung für einen barrierefreien raumakustischen Umbau zu verweigern. Die gesetzlichen Grundlagen dazu finden Sie im Kapitel 5.10.

Wer aus gestalterischen Gründen die raumakustische Sanierung von Eingangshalle, Treppenhäusern und Fluren „verbieten“ will, sollte bedenken, dass die Sprachverständlichkeit von Ansagen lebensrettend sein kann. Handelt es sich bei dem Notfall um einen Brand, dann ist das Gebäude schnellstmöglich zu räumen; handelt es sich aber um einen Amok-Überfall, dann müssen die zu schützenden Personen sich in den Klassenräumen verbarrikadieren. Eine falsche Reaktion ist lebensgefährlich! So etwas kann dann zu rechtlichen Schritten gegen die verweigernde Person wegen „Inkaufnahme des Todes aus denkmalpflegerischen Gründen“ führen.

Erläuterungen zu den elektroakustischen Anlagen zur Alarmierung und den optischen Ergänzungen nach dem Zwei-Sinne-Prinzip enthält demnächst das Kapitel 7.12.

Was ist bei Eingangshalle, Treppenhäusern und Fluren zu tun? RG B3
- höchstgradig schallabsorbierende Deckenbekleidung (αw ≥ 0,90)
  auf mindestens 50% der Deckenfläche
- bei geringerem Absorptionsgrad größere Fläche belegen,
  bei hohen Fluren auch Teile der Wandflächen belegen
- in Treppenhäusern alle horizontalen Deckenflächen vollflächig belegen
  und möglichst schallabsorbierende Wandpaneele in oberen Wandbereichen

 

Hinweis:      
Im Brandfall ist das Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen, aber
bei Amok-Alarm ist ein Verbarrikadieren in geschlossenen Räumen notwendig.         
Das Nicht-Verstehen einer Ansage wegen nicht ausreichender Raumakustik
kann in beiden Fällen tödliche Folgen haben.
Dann haften die Planerinnen / Entscheiderinnen!

Siehe demnächst auch Kapitel 7.11.