6 Empfehlungen für Raumakustik-Maßnahmen
An dieser Stelle soll keine wissenschaftliche Herleitung und Begründung der Raumakustik erfolgen; diesbezügliche Fachliteratur ist schon in ausreichender Anzahl vorhanden. Dennoch ist mir sehr daran gelegen, zumindest kurz zu erläutern, warum es bei der Planung und Ausführung von „verstehgerechten“ Räumen nicht damit getan ist, ausschließlich die Decke mit Schallabsorptionsmaterial zu belegen, sondern auch (Teile der) Wandflächen mit heranziehen muss.
Dazu ist der „raumakustische Dreiklang“ zu beachten mit:
1. einer möglichst vollflächigen abgehängten Decke aus in einem weiten Frequenzbereich hoch- bis höchstgradig schallabsorbierenden Material
(αw ≥ 0,70),
2. einem schallabsorbierenden Wand-Paneel, möglichst in dem Höhenbereich der Köpfe sitzender und stehender Personen (also ca. 0,8 m bis 2,1 m), welches meistens an
der jeweiligen Rückwand angebracht wird und
3. einem Teppichboden, welcher vorrangig Störgeräusche vermeidet, aber auch eine geringe Schallabsorption mitbringt, alternativ ein wischfähiger aber gehweicher
Bodenbelag.
Der Nachhall im Raum, der die Sprachverständlichkeit so erheblich beeinträchtigt,
ist nichts anderes als die Überlagerung der Echos:
1. zwischen der Decke und dem Fußboden,
2. zwischen der Stirn- und der Rückwand und
3. zwischen der Fenster- und der Flurwand.
Für zu planende quaderförmige Räume kann man aus den Abmessungen von Länge, Breite und Höhe mit einer recht einfachen Formel die zeitliche Abfolge der ersten Echos voraus-berechnen, in bestehenden Räumen kann man sie auch messen. Beides ergibt sogenannte „Reflektogramme“ oder auch „Echogramme“.
Abbildung 6.0.1: rechnerisch ermitteltes Echogramm © Stahl et al. (2017)
Für diejenigen Leserinnen, die keine Fachfrauen der Akustik sind, sind diese Zusammenhänge schwer vorstellbar. Vielen hilft der Vergleich in diesem ersten optischen Beispiel, aufgenommen im „Phänomania“ in Büsum. Dort gibt es einen innen allseitig verspiegelten Würfel mit einem kreisrunden „Guck-Fenster“. Die zahllosen Reflexionen in allen Richtungen und auch die Wiederholung des Guck-Fensters (auch schräg) sind gut zu erkennen. In gleicher Weise wie hier beim Licht wiederholen sich im rundum schallharten Raum auch die allseitigen Schallreflexionen.
Abbildung 6.0.2: innen allseitig verspiegelter Würfel mit Guck-Fenster und Reflexionen in allen drei Dimensionen; wenn man genau hinsieht, dann erkennt man, dass die Reflexionen „von weiter hinten“ immer schneller aufeinander folgen. Das stimmt mit dem Diagramm in Abbildung 6.0.1 überein.
Würde man jetzt das Guck-Fenster als schwarze Fläche über das gesamte zugehörige Quadrat ausdehnen, dann entfielen die vielfachen Reflexionen zwischen dieser und der gegenüberliegenden Fläche. Gleiches passiert sinnbildlich, wenn man in einem ursprünglich rundum schallharten Raum die Decke mit einem hochgradig wirksamen Absorber belegt. Damit sind die Mehrfachreflexionen zwischen Decke und Fußboden „weg“. Bei einem akustisch guten Deckenmaterial gilt das unabhängig davon, ob der Fußboden hart oder mit Teppich belegt ist. (Ein Teppich hat vorrangig die Aufgabe, Störgeräusche zu verhindern.)
Wenn aber - wie in Bestandbauten leider noch immer wieder anzutreffen - keine oder nur eine mehrfach überstrichene Akustikdecke vorhanden ist, dann kann ein vollflächiger Teppichboden sich trotz seines nur geringen Absorptionsgrades merkbar auswirken und „das Schlimmste verhüten“. Über diesen Link können Sie sich einen Klassenraum ohne Teppichboden anhören (eine Original-Aufnahme ohne jede Bearbeitung).
Ein Foto mit drei verspiegelten Wandflächen habe ich schon vor langer Zeit in einem Aufzug aufgenommen. Die Fahrkorb-Tür war nicht verspiegelt. Da man sich beim Blick senkrecht in einen der beiden Spiegel selbst im Weg steht, habe ich in den 90°-Winkel fotografiert. Die „fast unendliche“ Folge der Licht-Reflexionen ist an den Deckenlampen gut zu erkennen. Bei einem „Licht-Absorptionsgrad“ von vielleicht 0,02 dauert es lange bis zur Dunkelheit. In gleicher Weise wie hier beim Licht wiederholen sich in einem Raum mit schallabsorbierender Decke auch die Schallreflexionen zwischen parallelen schallreflektierenden Wänden. Entsprechend bleibt die Nachhallzeit dann lang, häufig deutlich länger als vorausberechnet. Und das gilt unabhängig davon, ob die absorbierende Decke „akustisch tiefschwarz“ oder nur „nebelig schwarz“ ist und ob am Boden ein Teppich liegt, Linoleum oder sogar Naturstein. „Ersatzmaßnahmen“ außerhalb des Schallausbreitungsweges (z. B. Teppich statt Wandpaneel) sind also keine Hilfe.
Bei Sporthallen wird im Zusammenhang mit den dortigen Prallwänden demnächst im Kapitel 6.1.7 auf dieses Thema noch einmal eingegangen werden.
Abbildung 6.0.3: innen dreiseitig verspiegelter Fahrkorb eines Aufzuges mit Reflexionen nur noch in der horizontalen Ebene
Jetzt braucht man nicht mehr viel Phantasie, um sich vorzustellen, was durch das Abdecken einer von zwei einander gegenüberliegenden Spiegelflächen passiert: dann sind schlagartig sämtliche horizontalen Reflexionen zwischen diesem Wandpaar verschwunden (die zwischen dem anderen Wandpaar rechtwinklig dazu bestehen aber weiterhin). Eine gleichartige Wirkung haben in der Raumakustik die schallabsorbierenden Wandpaneele, denn wenn die erste Reflexion in dieser Richtung weg ist, dann kommen auch keine weiteren mehr...
Ein bekannter deutscher Klassenraum-Akustiker hat es kürzlich so formuliert:
Wie/wer auf absorbierende Wandpaneele verzichtet,
die/der wirft Geld zur Decke raus!
Bereits in DIN 18041:2004, also der Vorgängerinnen-Norm der jetzigen, hieß es im Kapitel 5.2.2.2 zu schallabsorbierenden Wandflächen:
5.2.2.2.2 Verteilung schallabsorbierender Flächen In Räumen mit rechtwinkliger Geometrie und weitgehend ebener Beschaffenheit der Oberflächen können sich bei einseitiger Verteilung der schallabsorbierenden Flächen, z. B. bei ausschließlich schallabsorbierender Bekleidung der Decke, deutlich längere Nachhallzeiten einstellen, als dies bei einer Berechnung gemäß 3.11 zu erwarten ist. Um dies zu verhindern, sollten an mindestens einer Wandfläche Kombinationen aus schallabsorbierenden und schallstreuenden Elementen eingesetzt werden. |
Eine ähnliche Formulierung wie oben enthält auch die jetzige DIN 18041:2016 im Kapitel 5.4.
Demnach sind schallabsorbierende
Wandpaneele schon seit Langem
eine allgemein anerkannte Regel der Technik.
Im normativen Anhang A von DIN 18041:2016 heißt es zur Verteilung der Absorberflächen:
A.2 Rechnerischer Nachweis Die schallabsorbierenden Flächen sollen auf alle drei Raum-dimensionen verteilt sein, d. h. der mittlere Schallabsorptionsgrad für die Flächen in den drei Raumdimensionen soll nicht mehr als um den Faktor 3 abweichen, insbesondere wenn keine schallstreuenden Objekte oder Oberflächen vorhanden sind. |
Noch weit ausführlichere Erläuterungen dieses Zusammenhanges und seines großen Einflusses auf die Sprachverständlichkeit sind zu finden unter „Schallabsorbierende Wandpaneele? - Ein MUSS in der Klassenraum-Akustik“.
Rechnerisch lässt sich sehr einfach belegen, dass bei gleichem Schallabsorptionsgrad aller vier Wände die Flatterechos in Querrichtung schneller abgebaut sind als in Längsrichtung. Das ist einer der Gründe, warum - insbesondere in Räumen mit einer größeren Länge als Breite - die schallabsorbierenden Wandpaneele vorrangig an deren Rückwänden angebracht werden.
Ein abschließender Hinweis zur späteren Material-Auswahl:
Wenn man auf dem Spiegel nur „schwarzes Konfetti“, also kleinflächige Absorber, anbringt, dann bleiben etliche Reflexionen noch immer erhalten. Mindestens auf
Augenhöhe braucht man einen schwarzen Streifen (und muss dabei auch auf die Augenhöhen von Kindern oder sitzenden Personen denken).
Übertragen auf die Raumakustik ergibt sich daraus, dass nur ein paar kleine angeklebte Schaumstoffplatten an den Wänden nicht ausreichen. Vielmehr müssen die schallabsorbierenden Wandpaneele einen ausreichend (4 bis 5 m) breiten Streifen mindestens in der Höhe von 0,8 m bis 2,0 m bedecken. Das „schwarze Konfetti“ oder kleine Schaumstoffplatten wären sozusagen nur „gekleckert“, während hier (in Maßen) zu „klotzen“ ist. Sinnvolle Größen und Bauweisen sowie Materialien werden demnächst im Kapitel 7… beschrieben.
Soviel zum Grundsätzlichen…
In den folgenden Unter-Kapiteln werden Empfehlungen für die Ausstattungen der verschiedenen Raumarten mit Schallabsorbern beschrieben. Aus der bundesweiten Erhebung der Nachhallzeiten in Klassenräumen sowie eigenen statistischen Auswertungen von KiTa-Räumen und Mensen werden zunächst die typischen Volumina und erforderlichen Nachhallzeiten (jeweils mit Spannweiten der allgemein vorkommenden Werte) benannt.
Dann folgen Hinweise zum erforderlichen Umfang der Absorber und zu deren Anbringungsorten. Die zur Auswahl stehenden (und geeigneten) Material-Arten werden erst im Kapitel 7 ff beschrieben. Damit lassen sich Text-Wiederholungen vermeiden, was der Übersichtlichkeit innerhalb der jeweiligen Kapitel zugutekommt.
Zur einfachen Nachvollziehbarkeit wird hier lediglich mit den Einzahlwerten der jeweiligen bewerteten Schallabsorptionsgrade αw gerechnet. Auch erfolgt häufig eine erste Material-Auswahl nach diesen Werten. In vielen Fällen ist es aber unbedingt sinnvoll, dass Fachplanerinnen eine frequenzabhängige Berechnung für alle sechs Oktaven von 125 Hz bis 4.000 Hz auszuführen. Dennoch werden die grundlegenden Rechenvorschriften hier kurz beschrieben.
Das ist einerseits die „Sabinesche Nachhallgleichung“ zur Berechnung der Nachhallzeit T:
T = 0,16 * V / Σ Ai
(T = Nachhallzeit in s, V = Raumvolumen in m³,
Ai = äquivalente Schallabsorptionsfläche in m²)
und andererseits gilt zur Berechnung der jeweiligen äquivalenten Schallabsorptionsfläche Ai der verschiedenen Flächen im Raum:
Ai = αi * Si
(α =
Schallabsorptionsgrad, S = Auskleidungsfläche in m²)
Was ist für eine günstige Raumakustik zu tun? |
Hinweis 1: Auch die Fachberaterinnen der verschiedenen Hersteller verfügen über große Kompetenz in der akustischen Beratung. Ihre Vorschläge sind aber (naturgemäß) immer auf Produkte des eigenen Hauses begrenzt, sodass Alternativen außer Betracht bleiben müssen.
Hinweis 2: Ausführende Firmen mit Rahmenverträgen verwenden häufig aus wirtschaftlichen Gründen nicht das beste, sondern das billigste Material.
Stand 2025-02-02
Anschrift:
Rethwisch 10
25497 Prisdorf
Kontakt:
Tel.: 04101 79 37 56
Mail: post(@)carsten-ruhe(.)de
Steuer-Nummer:
UStID.: DE134438564