7.2 Schallabsorbierende Einzel-Elemente
Schallabsorbierende Einzel-Elemente werden vielfach eingebaut / abgehängt, wenn bei Planung und Bau der Räume die akustischen Maßnahmen „vergessen“ (der bei hohen Räumen nicht ausreichend beachtet) wurden. Dann kommen optisch auffällige Elemente zum Einsatz, ohne auf die erreichbare Wirkung und die Kosten zu achten. In KiTa-Einrichtungen wird das dann oft als „kindgerechte Lösung“ verkauft.
Derartige Einzel-Absorber kann man nach zahlreichen Kriterien einteilen, welche alle einen Einfluss auf die Entscheidungen zur Auswahl haben:
· Äquivalente Schallabsorptionsfläche
· Montage von der Decke abgehängt / an der Wand aufgehängt
· Form / Dicke / Volumen
· Aussehen und Struktur der Ansichtfläche
· Farbe und Lichtreflexionsgrad
· Mineralfasern / Naturfasern / Kunststoff-Fasern / Schaum
· Brandschutz
· Umweltaspekte bei Herstellung und Recycling
· Anforderungen durch den Denkmalschutz
· Reparatur / Auswechseln einzelner Elemente
· Hygiene-Anforderungen
· Kosten / Preise
Bei der Vielzahl der Aspekte ist sofort zu erkennen, dass es nicht „das eine richtige Material“ geben kann. Jedes Bauvorhaben, jeder Neubau und jeder Umbau hat seine Besonderheiten und viele Bauherrinnen haben ihre Vorlieben und/oder für sie besonders wichtige Entscheidungskriterien, z. B. gute Erfahrungen mit Produkten oder Verarbeitern.
ACHTUNG: Wenn bei den folgenden Beispielen Abbildungen gezeigt oder auch Typ-Bezeichnungen genannt werden, so ist die Auswahl - allen Bemühungen um Ausgewogenheit der Darstellung zum Trotz - dadurch begrenzt, dass ich nur diejenigen aufführen kann, die ich kenne und bei den bisher betreuten Bauvorhaben fotografieren konnte (und die ich in ihrer akustischen Wirkung auch für „gut“ halte). Diese Nennung bedeutet aber keinesfalls, dass andere, hier nicht aufgeführte, Produkte nicht geeignet wären! Materialien, von denen ich selbst „nicht so ganz überzeugt“ bin oder sogar Negativbeispiele führe ich hier nicht auf.
Äquivalente Schallabsorptionsfläche
Im Sinne dieser Veröffentlichung ist natürlich die Schallabsorption das ganz herausragende Auswahlkriterium. Anders als bei geschlossenen Decken wird hier nicht mit dem „äquivalenten Schallabsorptionsgrad“ (= Schallschluckung je Quadratmeter), sondern mit der „äquivalenten Schallabsorptionsfläche“ (= Schallschluckung je Stück) gerechnet. Auch hier ist der Zusammenhang zu bedenken:
Nur derjenige Schall kann geschluckt werden,
der auf eine absorbierende Fläche treffen kann.
Bei Einzel-Elementen als Grundausstattung benötigt man meist eine große Anzahl, um auf eine ausreichende Absorptionswirkung zu kommen. Ein Nachteil gegenüber flächig geschlossenen Decken nach Kapitel 7.1 ist bei allen frei im Raum befindlichen Einzel-Elementen, seien es Segel, Baffeln oder auch Würfel, Kugeln oder Zylinder, dass insbesondere die Schallabsorption im unteren Frequenzbereich deutlich geringer ist, als bei flächigen Absorbern.
Aus genau diesem Grunde sollte man die raumakustischen Berechnungen für Einzel-Elemente immer in allen sechs Oktaven durchführen. Allenfalls für eine schnelle Vor-Auswahl kann man Mittelwerte verschiedener Produkte miteinander vergleichen. Bei der Auswahl solcher Einzel-Elemente ist noch genauer auf die Schallabsorption zu achten als bei flächigen Systemen.
Montage von der Decke abgehängt / an der Wand aufgehängt
In den meisten Fällen werden schallabsorbierende Einzel-Elemente bei einer Grundausstattung von der Decke abgehängt. Einige Hersteller vertreiben auch Elemente zur Montage an / in den Raum-Kanten. An der Wand aufzuhängende Bilder werden meist nachträglich angehängt und sind der akustischen Wirkungsweise bei den Wandpaneelen gemäß Kapitel 7.3 (demnächst) einzuordnen.
Abbildung 7.2.1: Beispiele von Einzel-Absorbern mit (gegenüber flächigen Absorbern) geringer Wirksamkeit
Form / Dicke / Volumen
Für die Schallabsorptionswirkung ist die „äquivalente Schallabsorptionsfläche“ die maßgebliche Kenngröße. Frei hängende Absorber haben aber meist ein großes Volumen, bei nur geringer Oberfläche. Dazu ein Rechenbeispiel:
Ein Absorber-Würfel aus Schaumstoff habe eine Kantenlänge von 60 cm. Damit hat er sechs Oberflächen von jeweils 60 x 60 = 0,36 m². Nimmt man ein scharfes Messer und schneidet diesen Würfel in 30 jeweils 20 mm dicke Scheiben (entsprechend der Dicke vieler hochabsorbierender Deckenplatten), so hat man aus demselben Volumen nicht nur sechs, sondern sogar 30 Flächen von 60 x 60 erhalten, also die fünffache schallabsorbierende Oberfläche.
Bedenkt man jetzt noch den obigen Hinweis, dass die Schallabsorption frei hängender Elemente (insbesondere bei den unteren Frequenzen) geringer ist als die von flächigen Absorbern, dann wird die Diskrepanz noch größer. Man gibt also für frei hängende Absorber viel mehr Geld für die gleiche bzw. geringere Schallschluckwirkung aus.
Die dreißig Würfel in Abbildung 7.2.1 oben links haben bei einer Kantenlänge von 0,45 m eine Gesamt-Oberfläche von 36,5 m². Das entspricht nicht einmal der Hälfte der Raumgrundfläche. Mit demselben Kostenaufwand könnte man flächige Absorber für mehr als anderthalb Räume erwerben.
Bei den flachen freihängenden Absorbern nach Abbildung 7.2.1, untere Reihe, müssen nicht nur die Unterseite, sondern auch die Kanten und ggfs. auch die Oberseite gegen Abrieb gesichert und versiegelt werden. Das bedeutet zusätzlichen Material- und Zeitaufwand. Freiformen, wie z. B. Kreise, Ovale oder Wolken, werden aus quadratischen oder rechteckigen Platten zugeschnitten. Bei Kreisen entstehen so schon bei der Herstellung 20% Abfall, der aber zunächst mit erworben werden muss. Auch das wirkt sich mit Kostensteigerungen aus.
„Schön“ ist bei frei hängenden Absorbern
keinesfalls „Preis-Wert“!
Aussehen und Struktur der Ansichtfläche
Für Bauherrinnen und Planerinnen ist in vielen Fällen das Aussehen der Absorber (neben den Kosten) das wesentliche Entscheidungskriterium. Für frei hängende Absorber kann nur eine grobe Einteilung benannt werden.
· Beschichtung mit schalldurchlässigen Vliesen
· Beschichtung mit Stoff oder Filz
· Segel aus GK-Lochplatten mit umlaufender Aufkantung
· Segel aus durchgefärbten Holzwolleplatten mit Aufkantung
· Segel aus Metall-Kassetten mit Lochung oder aus Streckmetall
Farbe und Lichtreflexionsgrad
Alle Materialien können in unterschiedlichen Farben geliefert oder teilweise auch mit speziellen Verfahren gestrichen werden, sodass zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Im Sinne einer energiesparenden Beleuchtung sollten die Flächen möglichst hell sein. Auch die Struktur der Oberfläche verringert den Lichtreflexionsgrad. Bei einer in die Fläche eingebauten Beleuchtung mit Abstrahlung nur nach unten ist der Effekt nicht sehr auffällig. Auch die Farbe der über den Einzel-Absorbern sichtbaren Rohdecke spielt bei der Lichtausbeute eine Rolle, siehe Abbildung 7.2.1, untere Reihe.
Mineralfasern / Naturfasern / Schaum / Kunststoff-Fasern
Geschichtlich sind Holzfasern als Schallabsorber das älteste Material (Holz-Weichfaser-Platten, Holzwolle-Platten). Später kamen natürliche und künstliche Mineralfasern (Asbest, Glaswolle, Steinwolle) hinzu. Ein großes Chemie-Unternehmen entwickelte Schaumstoff-Blöcke, die von den Verarbeitern konfektioniert, für frei hängende Absorber verarbeitet und mit zahlreichen, teilweise phantasievollen, Bezeichnungen angeboten werden. Die jüngste Entwicklung sind die erst durch das Kunststoff-Recycling aufgekommenen Filze aus ehemaligen PET-Flaschen. Die Materialien werden auch für anzuklebende Einzel-Elemente angeboten, sind aber (bei geringen Preisen) meistens für eine gute Absorption zu dünn und zu klein.
Die wesentlichen akustischen Kenngrößen sind aller Absorber sind:
· der „längenbezogene Strömungswiderstand“ und
· die Materialdicke
Der Strömungswiderstand ist ein Kennzeichen dafür, wie stark sich die schwingenden Luft-Teilchen an der Absorber-Struktur reiben und dadurch abgebremst werden. Bei gut schallabsorbierenden Dämmstoffen liegt er zwischen 5 und 50 kPa s/m². Ist der Strömungswiderstand zu niedrig (Beispiel: Tüllgardinen), entsteht zu wenig Reibung, Dämmstoffe mit einem zu hohen Strömungswiderstand reflektieren die Schallwellen bereits an der Oberfläche, anstatt sie aufzunehmen (Beispiel: vom Maler überstrichene Deckenplatten).
Genauere technische Zusammenhänge beim Strömungswiderstand und für die Auswahl geeigneter Materialien sind im Kapitel 7.16 zusammengefasst. Die ausschreibenden Kolleginnen sollten dort mal hineinschauen.
Die Materialdicke beeinflusst den Frequenzbereich der guten Schallabsorption. Bei frei hängenden Einzel-Elementen ist die tieffrequente Schallabsorption generell geringer als bei flächigen Absorbern. Eindeutige Daten über die Schallabsorption bei den verschiedenen Frequenzen liefern die Prüfzeugnisse des Absorptionsgrades aus Hallraum-Messungen.
Brandschutz
Alle gängigen Absorber-Materialien sind mindestens als „schwer entflammbar“ eingestuft. Für einige Raumarten ist das aber nicht ausreichend, z. B. für Flucht- und Rettungswege, notwendige Flure und Treppenhäuser öffentlich zugänglicher Gebäude. Hier dürfen nur „nicht brennbare“ Baustoffe eingesetzt werden. Die namhaften Hersteller können auch diese liefern (meistens allerdings nicht zum selben Preis).
Vorsicht ist bei Absorbern geboten, die von Kleinunternehmen hergestellt werden. Meist können sie Prüfzeugnisse weder zur Absorption, noch über die Schwerentflammbarkeit vorlegen.
Abbildung 7.2.2:
Sollten diese „fliegenden Untertassen“ tatsächlich aus Flokati auf Kunststoffscheiben hergestellt sein, ist der Brandschutz fraglich.
Umweltaspekte bei Herstellung und Recycling
In den vergangenen Jahren haben sich alle großen (und auch manche kleineren) Hersteller mit den Fragen des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit bei der Herstellung und Entsorgung ihrer Materialien beschäftigt und die unterschiedlichsten Zertifikate dafür erhalten. Auch die Fragen nachwachsender Rohstoffe oder von „Sekundär-Rohstoffen“ aus dem Recycling werden mit betrachtet. Auch der verwendete Kleber in diese Betrachtungen mit einzubeziehen.
Einige Kommunen haben sich entschieden, in ihren Bauten nur noch bestimmte Baustoff-Arten zuzulassen, andere dagegen auszuschließen. Diese Einschränkungen können die „Qual der Wahl“ den Entscheiderinnen ein wenig erleichtern.
Anforderungen durch den Denkmalschutz
Zum Zeitpunkt der Erstellung älterer und betagter Gebäude waren weder den Bauherrinnen noch deren Architektinnen die akustischen Gesetzmäßigkeiten sowie deren Notwendigkeiten für die Nutzung bekannt, geschweige denn geläufig. Deshalb besteht in solchen Gebäuden ein erheblicher akustischer Nachbesserungs-Bedarf. Für Schulen siehe hierzu z. B. die Veröffentlichung von Ruhe (2023), dort auch sortiert nach allen 16 Bundesländern.
In den Kapiteln 5 und 6 ist die Wichtigkeit der sachgerechten Raumakustik in Bildungsbauten ausführlich erläutert. Sie ist deshalb auch bei Umbauten und Sanierungen mitzuplanen und auszuführen. Dann sind häufig „modernere“ Baustoffe notwendig, als man zur Zeit der Gebäude-Erstellung gekannt (oder auch nur erahnt) hat. Hier ist häufig eine intensive Abstimmung mit den Denkmalschützerinnen notwendig, bei denen sich die Akustikerinnen nicht durch „Hartleibigkeit“ irritieren lassen dürfen. Meistens finden sich doch Möglichkeiten für eine sachgerechte Umsetzung. Auch hier gehören - wie schon oben beim Brandschutz erwähnt - die dann zum Einsatz kommenden Baustoffe nicht immer zu den preisgünstigsten.
Bisweilen besteht eine Lösungsmöglichkeit darin, die neuen Einbauten gut erkennbar vom Bestandsgebäude abzusetzen, sodass keine Vermischung von alt und neu stattfindet. Auch „reversible“ Einbauten dürfen bisweilen (mit dem entsprechenden Planungsaufwand) eingebaut werden.
Bei neueren Gebäuden greift meistens noch nicht der Denkmalschutz. Dann sind aber bei der Umnutzung / Anpassung von Gebäuden häufig Fragen des Urheberrechtes der Entwurfsverfasser zu beachten.
Einfluss der Gestaltung auf weitere Personenkreise
An dieser Stelle ist auf Einflüsse hinzuweisen, welche die Deckengestaltung (eigentlich die Raumgestaltung insgesamt) auf Personenkreise nimmt, die bisher noch viel zu wenig beachtet werden und über die allgemein (und damit auch beim Autor) kaum Kenntnisse vorhanden sind. Spezialistinnen in diesem Bereich sind „extrem dünn gesät“. DIN 18041 schreibt hierzu (bereits seit der Fassung von 2004 und noch immer rudimentär):
Von Personen mit Hörschäden wird die raumakustische Situation für Sprachkommunikation umso günstiger empfunden, je kürzer die Nachhallzeit ist. Dasselbe gilt auch für die Kommunikation mit Personen in einer Sprache, die nicht als Muttersprache gelernt wurde und bei der Kommunikation mit Personen, die auf andere Weise einen Bedarf nach erhöhter Sprachverständlichkeit haben, z. B. Personen mit Sprach- oder Sprachverarbeitungsstörungen, Konzentrations- bzw. Aufmerksamkeitsstörungen, Leistungsbeeinträchtigungen. Im Zweifelsfall sollten in Räumen zur Sprach-Information und -Kommunikation eher kürzere als längere Nachhallzeiten realisiert werden.
Inzwischen gibt es für einige Personengruppen Abkürzungen, wie z. B. AVWS, ADHS, ASS. Das bedeutet aber noch längst nicht, dass für diese (und sicher auch noch weitere) Gruppen schon bekannt wäre, wie man auf deren Not-Wendigkeiten vorausschauend angemessen agieren kann (statt zu re-agieren). In Abstimmung mit zwei Informandinnen, welche sich mit diesem Thema sehr gut auskennen, wird hierzu ein getrenntes Kapitel entstehen. Nur so ist zu vermeiden, dass die wichtigen Informationen „irgendwo gut versteckt“ anstatt gezielt aufzufinden sind. In dem Kapitel wird es dann um Dinge gehen, die nicht so analytisch beschrieben werden können wie die obigen, sondern - wegen der Wirkung über die Psyche - eher holistisch zu betrachten sind. Hierzu zählen z. B. Strukturen und Farben der Absorber.
Was Ist bei schallabsorbierenden Einzel-Elementen zu bedenken? · die Schallabsorption frei im Raum hängender Absorber ist deutlich niedriger, als wenn man dasselbe Material flächig einbaut · die Oberflächen, welche den Schall aufnehmen können, sind im Verhältnis zum Volumen (Material-Verbrauch) sehr klein · bei der Form der Absorber sowie bei Aussehen und Struktur der Ansichtflächen gibt es eine große Auswahl, sie kann, aber muss nicht für die Schallabsorption entscheidend sein · meist werden Einzel-Absorber nach der Gestaltung ausgewählt, anstatt nach der akustischen Wirkung · Farbe und Lichtreflexion - sowohl der Absorber als auch der Rohdecke - sind im Zusammenhang mit der Wahl der Beleuchtung zu bedenken · die ausreichende Tragfähigkeit der „Rohdecke“ ist sicherzustellen · wenn man auf die Kosten achten muss, sollte man flächige Absorber wählen, siehe Kapitel 7.1 · Vorlieben der Bauherrinnenschaft für bestimmte Materialarten und an die Umweltgerechtigkeit lassen sich erfüllen, sofern der ausreichende Strömungswiderstand nachgewiesen ist · alle gängigen Materialien sind „schwer entflammbar“, sofern für bestimmte Bereiche „nicht brennbar“ gefordert wird, können etliche Hersteller auch das liefern · weitere Anforderungen für weitere Personenkreise mit besonderen Not-Wendigkeiten werden in einem späteren Kapitel noch beschrieben |
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Stand 2025-02-17
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