9.1      Rechtliche Vorgaben nach BGB und VOB

Normen und Regelwerke, die in den jeweiligen Bundesländern als sogenannte „Technische Baubestimmungen“ bauaufsichtlich eingeführt sind, müssen – ohne Wenn und Aber – eingehalten werden. Viele davon müssen nachgewiesen und im Zuge der Baugenehmigung auch geprüft werden. Für die Nachweise allgemein zur Barrierefreiheit sind die entsprechenden Vorgaben aber bisher nur ansatzweise ausgearbeitet, speziell zur akustischen Barrierefreiheit noch gar nicht.

Über diese öffentlich-rechtlichen Anforderungen hinausgehend müssen Planer im zivilrechtlichen Sinne aber auch alle „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ (a.a.R.d.T.) beachten. Tun sie das nicht, dann entsteht ein Haftungsrisiko im Hinblick auf die Gewährleistung nach BGB, §633, bzw. für die ausführenden Unternehmen nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen VOB/B, §13.

Danach übernehmen nämlich die Planer und Auftragnehmer die Gewähr dafür, dass das Werk zum Zeitpunkt der Abnahme

(1.) die vertraglich zugesicherten Eigenschaften hat, 
(2.) den anerkannten Regeln der Technik entspricht und     
(3.) nicht mit Fehlern oder Mängeln behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem

      gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern.

Hinweis: Die Raumakustik-Norm DIN 18041 ist im "Leitfaden Barrierefreies Bauen" von 2016 des Bundesbauministeriums gemeinsam mit DIN 18040-1 "Barrierefreies Bauen" unter den "allgemein anerkannten Regeln der Technik" aufgeführt.

Die allgemein anerkannten Regeln der Technik gelten generell als der Soll-Zustand einer vertraglichen Leistung, wobei aber Abweichungen von den a.a.R.d.T. von beiden Vertragspartnern vereinbart werden können. Das sollte schriftlich erfolgen, denn der eindeutigste Beweis im Bauprozess ist nach Prof. Dr. jur. Carl Soergel, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Stuttgart a. D., der "Urkunds-Beweis", ein Vertrag, der zwei Unterschriften trägt. Liegt eine entsprechende Vereinbarung über Abweichungen nicht vor und entspricht die vertragliche Leistung dennoch nicht den anerkannten Regeln der Technik, so besteht in der Regel ein Mangel. Derjenige, der nicht sachgerecht plant, begeht dann eine "positive Vertragsverletzung" (Planungs-Pfusch) und haftet dafür.

Bei öffentlichen Bildungsbauten besteht im Allgemeinen deshalb eine juristische Schwierigkeit, weil die Nutzerinnen, die den Mangel beanstanden, kein Vertragsverhältnis zu den Planerinnen haben. Ob die Bauherrinnen aber Nachbesserungen einfordern, ist dann meist fraglich, insbesondere, wenn bei diesem Bauvorhaben ein namhaftes Architekturbüro den anfänglichen Wettbewerb gewonnen hat. Bei Bildungsbauten in privater Trägerschaft ist das häufig anders.

Die Nutzerinnen von Beginn der Vor-Planung, also der „Phase null“, an in den Prozess zu integrieren (und ihre „Wünsche und Notwendigkeiten“ dann auch zu berücksichtigen), verringert die Gefahren späterer Unzufriedenheit oder von Beanstandungen ganz erheblich. Insbesondere bei Gebäuden, die bisher im Hinblick auf die neuen Unterrichtsformen geplant und gebaut wurden, sind die großen Vorteile einer frühzeitigen Beteiligung gut zu erkennen.

Immer wieder ist zu erleben, dass - in der Annahme einer vermeintlichen Kostenersparnis - die Planerinnen von der Bauherrenschaft angewiesen werden, bestimmte Dinge NICHT ZU PLANEN und auszuschreiben. Besonders „beliebt“ in Bezug auf die Akustik in Bildungsbauten ist das bei den schallabsorbierenden Wandpaneelen nach dem Motto „Die können wir immer noch nachrüsten“. Das ist zwar prinzipiell richtig, aber dennoch im Detail falsch.

Nicht nur lautet einer der gängigen Sprüche im Baugewerbe „Nachtrag kostet doppelt“, sondern häufig sind auch die notwendigen Flächen dann schon an andere Gewerke vergeben. Meistens sind sie durch Bauteile der Elektroinstallation belegt. Bei rechtzeitiger Mit-Planung hätte man das koordinieren können; jetzt werden aufwändige Umbauten und Anpassungen benötigt, die zusätzlich Geld kosten.

Bei Vorliegen eines Mangels kann man leicht zurückverfolgen, an welcher Stelle ein Mangel begründet ist. Ausführungsmängel, vor denen kein Handwerker gefeit ist, kommen mal hier und mal dort vor, aber bei weitem nicht überall. Mängel, die sich in jedem Raum wiederholen, sind in den allermeisten Fällen auf eine falsche, nicht zu Ende gedachte oder sogar völlig unter-bliebene Planung / Ausschreibung / Beauftra-gung zurückzuführen. Dann müssen auch die Nachbesserungen in vielen oder allen Räumen erfolgen und der Aufwand wird beträchtlich. Ein Mangel-Beispiel des bewussten Weglassens auf Anweisung der Bauherrenschaft wird in einem der folgenden Kapitel beschrieben werden.

Juristisch spitzfindig kann man jetzt auch die Frage stellen, ob solch ein Vorbehalt einer eventuellen späteren Nachbesserung der obigen Anforderung entspricht, dass das Werk bereits zum Zeitpunkt der Abnahme mangelfrei sein muss? Oder hofft die Bauherrenschaft vielleicht, der Mangel werde schon nicht auffallen, sodass keine Nachbesserung mehr eingefordert wird?

Was ist zur Vermeidung von Planungsmängeln zu tun?
- Nutzerinnen ab der „Phase null“ beteiligen
- bauaufsichtlich eingeführte Normen und Regelwerke beachten
  (Technische Baubestimmungen)
- Wünsche und Notwendigkeiten der Nutzerinnen berücksichtigen
  (sowohl Lehrerinnen als auch Personal und Schülerinnen)
- auch Sonder-Normen und -Regelwerke berücksichtigen,
  die (noch) nicht als Technische Baubestimmungen eingeführt sind
- nicht zögern, rechtzeitig auch Fach-Gutachterinnen einzuschalten,
- nicht zögern, sich auf deren Rat zu verlassen,
- in der Planung auch zu Ende denken.

 

Wenn ich hinterher komme und sagen muss
„Das hätte ich Euch vorher sagen können.“,
dann hätte ich das besser vorher sagen sollen.

Stand 2025-02-01