9.3.15    Sanierung mit Decke statt Wandpaneel

In einer über 100 Jahre alten denkmalgeschützten Schule waren zwei Fach-Klassenräume „Kunst“ akustisch nachzubessern. Anlass war, dass eine Kunsterzieherin mit Hörschädigung in diesen Räumen unterrichtet. Beide Räume waren mit Decken aus GK-Lochplatten ausgestattet. Das dort vorhanden regelmäßige Muster mit wechselweise zwei verschiedenen Lochgrößen entsprach dem, was in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gern verwendet wurde.

Da Räume für Kunsterziehung viel Licht benötigen, werden sie im innerstädtischen Bereich gern im obersten Geschoss angeordnet, hier im 3. OG. Weil aus Gründen des Denkmalschutzes kein Aufzug eingebaut werden darf, konnte der Messgeräte-Trolley nicht verwendet werden. Beim „Aufstieg“ hat deshalb die Hausmeisterin tatkräftig mit angepackt, bei „Abstieg“ zwei Oberstufen-Schülerinnen.

Die Übersicht eines der Räume zeigt die Abbildung 9.3.15.1 links, Messwerte der Nachhallzeiten sowie die obere und untere Grenze des Sollwert-Toleranzbereiches (rot und grün) sind der Abbildung rechts zu entnehmen. Ab 250 Hz liegen die Messwerte außerhalb des Toleranzbereiches. Der Anstieg der Nachhallzeiten mit der Frequenz ist nicht etwa durch eine zu geringe Schall-absorption der GK-Lochdecke begründet, sondern durch Flatterechos zwischen den Wänden.

Abbildung 9.3.15.1: Fach-Klassenräume „Kunst“ mit Decke aus GK-Lochplatten,
                                 Nachhallzeiten im alten Zustand und mit Prognosen für schallabsorbierende Wandpaneele

 

Aufgrund der messtechnisch nachgewiesenen (und auch deutlich hörbaren) Flatterechos wurde vorgeschlagen, in den Räumen schallabsorbierende Wandpaneele anzubringen. Wegen der vorhandenen Raumausstattung und auch wegen des häufigen Hantierens mit Farben war von vornherein klar, dass nur eine Montage robuster Wandpaneele oberhalb des „Pinselschwenk-Bereiches“ möglich ist. Die Prognoseberechnungen für diese Art der Ausstattung in den beiden Räumen sind in Abbildung 9.3.15.1 rechts als gestrichelte Kurvenverläufe mit eingetragen. Danach sollten die Nachhallzeit-Vorgaben eingehalten werden.

Statt diesem Vorschlag zu folgen, wurde eine mit einem Rahmenvertrag gebundene Firma beauftragt, in den beiden Fach-Klassenräumen neue Decken zu montieren. Vermutlich sind deren Preise im Rahmenvertrag festgelegt, sodass die Beauftragung einfach und die Umsetzung während der Sommerferien möglich war. Diese neue Decke aus weichen Mineralwolleplatten im sichtbaren T24-Schienensystem ist in der Abbildung 9.3.15.2 links zu sehen. Sie wird unter den Handwerkern wegen der schnellen Montage gern als „Reinschmeiß-Decke“ bezeichnet.

Bei der Gelegenheit wurden auch die bisherigen Lampen mit Leuchtstoff-Röhren durch eine energiesparende LED-Beleuchtung ersetzt. In vielen Fällen sind die neuen Leuchtkörper, die nur etwa 5% der Deckenfläche umfassen, teurer als die restlichen 95% der schallabsorbierenden Decke. Das wird gern „vergessen“, wenn über die hohen Kosten von neuen Decken gestöhnt wird.

Abbildung 9.3.15.2: Ansicht der neuen Decke aus Mineralwolleplatten im sichtbaren T24-Schienensystem, Nachhallzeiten im alten Zustand und mit neuer Decke, bei 125 Hz sind die neuen Werte schlechter als die alten, ansonsten hat sich „fast nichts“ geändert

 

Die Nach-Messungen zeigen entsprechend Abbildung 9.3.15.2 rechts, dass mit der neuen Mineralfaserplatten-Decke in Frequenzbereich ab 500 Hz aufwärts fast nichts erreicht wurde und dass bei 250 Hz und insbesondere bei 125 Hz sogar Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Gipskarton-Lochdecke eingetreten sind. Hieraus lässt sich Folgendes ableiten:

·  mit der erneuerten Decke konnten die Flatterechos zwischen den Wänden nicht beseitigt werden, der Anstieg zu den hohen Frequenzen ist nach wie vor vorhanden (Nur der Schall kann geschluckt werden, der auch auf die Absorberfläche trifft; siehe hierzu Kapitel 7)

· die neuen Deckenplatten wurden nur nach dem Preis ausgewählt, und nicht nach der erforderlichen Schallabsorption (bei Mineralwolleplatten wirkt sich das immer im tieffrequenten Bereich aus, siehe Kapitel 7.1, Abbildung 7.1.2)

·  die GK-Lochplatten haben zwar im Mittel keine so hohe Schallabsorption wie Mineralwolle- oder Holzwolleplatten, dafür ist ihre Absorption aber im tieffrequenten Bereich besser (siehe ebenfalls Kapitel 7.1, Abbildung 7.1.2)

Diese Messergebnisse veranlassten die Bauherrin, bei der Rahmenvertragsfirma, nachträglich auch den Einbau schallabsorbierender Wandpaneele anzufragen. Weil dazu im Rahmenvertrag augenscheinlich nichts festgelegt ist, wurde dieses Angebot zur sachlichen Prüfung übersandt und für richtig befunden. Die zugehörige Preisgestaltung verlief nach dem Motto „Nachtrag kostet doppelt“. Zusätzlich wurden die bereits bei der Montage der Decke einmal angefallenen Kosten für Baustelleneinrichtung, Abdecken des Fußbodens und der Einrichtungsgegenstände mit Folien, Vorhalten eines Rollgerüstes sowie Material-Transport mit Schrägaufzug in das 3. OG nochmals mit insgesamt über 2.500 € geltend gemacht.

Abbildung 9.3.15.3: Fach-Klassenräume „Kunst“ mit Decke aus Mineralwolleplatten im sichtbaren T24-Schienensystem und den nachträglich montierten schallabsorbierenden Wandpaneelen aus Holzwolleplatten auf Holz-UK mit Mineralwolle-Einlage, Nachhallzeiten im alten Zustand sowie mit neuer Decke einschließlich schallabsorbierender Wandpaneele

 

In der Abbildung 9.3.15.3 rechts sind die Ergebnisse der Nachhallzeitmessung nach Abschluss dieser zweiten Baumaßnahme dargestellt. Links sind die angebrachten Wandpaneele zu sehen. Weil keine Wandabwicklungen vorgegeben waren, wurden die Schränke beiseite geräumt und die Paneele „ohne Rücksicht auf Verluste“ und völlig unnütz auch hinter den Schränken angebracht. Die konnten anschließend nicht mehr ganz an die Wände herangerückt werden.

Nach Abschluss dieser Nachbesserung sind die Nachhallzeiten in beiden Fach-Klassenräumen hervorragend ausgefallen. Sie liegen bei fast allen Frequenzen mit einem fast identischen Verlauf in der unteren Hälfte des Toleranzbereiches. In der Abbildung 9.3.15.4 sind im linken Diagramm die jetzt ermittelten Messwerte den Werten der vorab ausgeführten Prognose-Berechnungen gegen-übergestellt. Die jetzt tatsächlich erreichten Werte übertreffen die Prognose deutlich. Das ist dadurch begründet, dass die für die Berechnungen verwendete „Sabinesche Nachhallgleichung“ ein rein statistisches Rechenverfahren ist, welches die Feinstruktur des Schallfeldes (hier die vorhandenen Flatter­echos) nicht berücksichtigen kann. Bereits im Kapitel 6 wurde erwähnt:

Wenn das erste Echo weg ist,
dann klappert kein zweites hinterher.

Deshalb gilt: wenn man die schallabsorbierenden Wandpaneele so anbringt, dass der Schall sie auch treffen kann, dann können sie durchaus überproportionale Wirkung entfalten.

Abbildung 9.3.15.4: Nachhallzeiten nach Prognose-Berechnung und im jetzigen Zustand sowie Detailansicht eines der nachträglich montierten schallabsorbierenden Wandpaneele aus Holzwolle-platten; die Holz-UK ist um etwa 10 cm zurückgesetzt

 

In der Abbildung 9.3.15.4 ist rechts eine Detailansicht vom Aufbau der Wandpaneele dargestellt. Die Kanthölzer aus KVH 40/40 mm sind in den einsehbaren Bereichen um knapp 100 mm gegenüber den Plattenkanten zurückgesetzt. Dadurch hat die ausführende Firma in der Summe etwa 2 lfdm. Kantholz eingespart, aber stattdessen ist bei den Mineralwolleplatten in den kleineren Feldern ein erheblicher Verschnitt angefallen, der gemeinsam mit den 250 m² erneut verlegter PE-Folie entsorgt werden musste. Die akustisch wirksame Höhe der Wandpaneele hat sich mit dieser extrem großen Schattenfuge von 1,2 m auf nur noch etwa 1,0 m, also um 17%, reduziert. Die hiermit eigentlich erreichbare (und auch bezahlte) größere Wirkung wurde so „verschenkt“.

Und die Moral von der Geschichte (siehe auch Kapitel 6):

Wie / wer auf schallabsorbierende Wandpaneele verzichtet,
die / der wirft Geld zur Decke raus!

 

Was ist bei raumakustischen Umbauten und Sanierungen zu bedenken?
- vorab Messungen von Nachhallzeit durchführen lassen, Messung A
- maßgebliche Flächen für zusätzliche Absorber ermitteln
- erst danach sinnvolle Lösungen erarbeiten
- die vorgeschlagenen Lösungen auch umsetzen (keine „Billig-Lösungen“)
-
Ausführende Firmen mit Rahmenverträgen verwenden häufig aus
  wirtschaftlichen Gründen nicht das beste, sondern das günstigste Material

- baubegleitende Begutachtung und Beratung
- Abnahme-Messungen durchführen lassen, Messung B
- A-B-Vergleich anfertigen 

 

Stand 2025-04-10