Schallpegelmessungen einst und jetzt

Nur wer die Geschichte kennt, kann auch das Heute verstehen…

Im Zusammenhang mit einer Web-Seiten-Bearbeitung des Abschnittes „Über das Rechnen mit Pegeln und dB“ und die Diskussion mit einem deutlich jüngeren Fachkollegen, warum manche Dinge heute so (für ihn) merkwürdig gehandhabt werden, entstand die Idee, auch einmal etwas über unsere damaligen Mess-„Werkzeuge“ zu schreiben. Wenn man heute in Museen die Tischlerwerkzeuge von „damals“ sieht und mit den heutigen Maschinen vergleicht, dann wundern sich Viele, dass man damals schon so schöne und kunstvoll gefertigte Möbel herstellen konnte. Viele dieser Werkzeuge kenne ich noch aus der Tischlerwerkstatt meines Vaters und weiß, dass so etwas durchaus ging. Man hatte (oder nahm sich) damals allerdings mehr Zeit dafür.

Schallpegelmesser aus der Frühzeit der Akustik findet man typischerweise nicht in Museen, allenfalls in Spezialsammlungen universitärer Institute. Die waren vom Prinzip her genauso aufgebaut wie heute: Mikrofon, Vorverstärker, Filterbank, Endverstärker und Anzeigeeinheit. Und doch waren sie ganz anders. Sie waren nämlich – wie beim damaligen Radio auch – aus Spulen, Widerständen und Kondensatoren zusammengebaut und die Verstärker waren zunächst mit Röhren bestückt, später dann mit Transistoren. Das brachte natürlich Volumen und Gewicht und mit zunehmender Erwärmung bei länger dauernden Messungen stellte sich auch eine gewisse „Abdrift“ ein. Bei meinen ersten „Vergleichsmessungen“ in der PTB in Braunschweig stand deshalb den „Prüflingen“ eine Zeitschaltuhr zur Verfügung, mit der die Geräte schon zwei Stunden vor Beginn der eigentlichen Prüfaufgabe eingeschaltet wurden.

An meiner Uni waren wir schon mit recht modernen Geräten ausgestattet, die meisten von Brüel & Kjaer. Da gab es nicht nur Messverstärker und Pegelschreiber, sondern auch ein durchstimmbares Filter mit verschiedenen im gesamten Frequenzbereich konstanten Bandbreiten und eine Terzfilterbank mit relativ zu den Frequenzen konstanter Bandbreite. Beide konnte man mit dem Pegelschreiber koppeln und dadurch eine automatische Frequenzanalyse starten. Die konnte schon mal 10 Minuten dauern und so lange musste das zu messende Geräusch dann auch konstant vorliegen. In unseren Labor-Versuchen analysierten wir deshalb vorrangig synthetische Signale. Das Geräusch bei der Vorbeifahrt eines im zweiten Gang beschleunigenden Autos als A-bewerteten Schallpegel zu messen (weit weg von jeder anderen Schallquelle in einem Parkgelände), dauerte länger als eine Stunde, bis wir Studenten der Meinung waren, das sei es jetzt.

Anhand dieser Messungen mit schwankenden Schallpegeln und Ablesung an dem Zeigerinstrument mit einem Anzeigebereich (ohne Umschalten) von nur 10 dB wurde uns verdeutlicht, wozu die verschiedenen Zeitbewertungen S, F, und I gut sind. S (für Slow) ließ den Zeiger weniger schwanken, sodass man besser ablesen konnte. Aber war das wirklich der richtige Wert, wenn doch F (für Fast) einen höheren und I (für Impuls) einen abermals höheren anzeigten? Außerdem war noch die Frage zu klären, wer von jeweils drei Studenten den richtigen Blickwinkel auf das Messinstrument hatte, sodass seine Aussage galt? Schön wäre an dieser Stelle der Pegelschreiber B&K 2307 aus dem Labor gewesen, dann hätte man hinterher in Ruhe vom Schreibstreifen ablesen können. Aber der wog nicht nur etliche Kilogramm, sondern er benötigte auch einen Netzanschluss.

Die folgende Beschreibung über die drei verschiedenen Zeitbewertungen S, F und I habe ich von der Webseite von NTi entnommen und ein klein wenig „ingenieurmäßig“ korrigiert. Danke für die Genehmigung!

Eine Schallpegelmessung beruht auf Änderungen des Luftdrucks, die durch eine Schallquelle hervorgerufen werden. Dabei schwankt der Schallpegel ständig und mit hohem Tempo. Würde das Messgerät ihn in Echtzeit darstellen, ließe sich der Wert aufgrund dieser raschen Änderungen kaum ablesen. Schallpegelmesser dämpfen daher die Reaktionsgeschwindigkeit der Anzeige, um das Ergebnis ablesbarer zu machen.

Dieses Verhalten nennt sich 'Zeitbewertung'. Ich finde aber den Begriff „Anzeigedynamik“ verständlicher, denn hiermit wurden ursprünglich die dynamischen Bewegungen des Zeigers im „Drehspul-Instrument“ für alle Hersteller und Geräte vereinheitlicht.

F und S (Fast und Slow)      
Die Norm IEC 61672-1 beschreibt zwei verschiedene Zeitbewertungen: Fast (F) und Slow (S). Beide dämpfen die Pegelanzeige bei einer plötzlichen Änderung des Schallpegels. Fast reagiert schneller als Slow. Wenn z.B. in einer leisen Umgebung plötzlich ein lautes, konstantes Geräusch eingeschaltet wird (Pegelsprung), braucht die Fast-Pegelanzeige ca. 0,6 s, um den neuen Wert zu erreichen, während die Slow-Anzeige den neuen Pegel erst nach ca. 5 s erreichen würde. Diese beiden Reaktionsgeschwindigkeiten ergeben sich aus den genormten Zeitkonstanten für F (t = 125 ms) bzw. S (t = 1 s). Sobald das Geräusch wieder abgeschaltet wird, folgt die F-Pegelanzeige mit einer Abfallrate von 34,7 dB/s, während der angezeigte S- Pegel nur mit 4,3 dB/s sinkt.

Die Grafik zeigt Pgelsprünge auf und ab mit den Zeitbewertungen Fast und Slow

Die Skizze zeigt die Reaktion der F- und S-Anzeige auf plötzliche Pegeländerungen. Misst man keine Pegelsprünge, sondern schwankende Pegel, so ist der Mittelwert in beiden Fällen derselbe, nur das „Rauf und Runter“ um diesen Mittelwert unterscheidet sich.

Die Grafik zeigt das unterschiedliche Anzeige-Verhalten bei der Anzeigedynamik Impuls: schnell rauf, langsam runter

I (Impuls)

Die zurückgezogene Norm IEC 651:1979 beschrieb auch noch die Anzeigedynamik Impuls (I), die für die Analyse von kurzen Impulsen vorgesehen war. Im Gegensatz zu F und S reagiert die I-Anzeige asymmetrisch, d.h. sie steigt bei einem steigenden Pegel sehr schnell an (t = 35 ms), während sie einem Pegelabfall nur sehr langsam folgt (etwa 3 dB/s). Damit konnte man bei einem Zeigerinstrument die „wahre“ Pegelhöhe besser ablesen. Für damalige Verhältnisse war das eine tolle Sache.

Die Frage ist natürlich, welcher Wert denn nun der „wirklich richtige“ ist?

Schallpegelmeser B und K 2203

Als ich aus dem „Elfenbeinturm“ der Uni in die „Niederungen“ eines Ingenieurbüros wechselte, war die Ausstattung dort erheblich „sparsamer“ und damit natürlich „einfacher“ als vorher. Auch kam hinzu, dass kaum eins der zu messenden Geräusche so konstant war, dass man in Ruhe eine Frequenz-Analyse durchführen konnte. Hier zeigte jetzt aber die Beschränkung bei der Geräte-Anschaffung auch Vorteile. Das Oktav-Filter, welches an dem dort vorhandenen B&K 2203 angeflanscht war, hatte nur ein Drittel der Filterstufen einer Terz-Filterbank und die Filter-Einschwingdauern (umgekehrt proportional zur Bandbreite) waren auch kürzer.

Hier sieht man die wesentlichen Teile des B&K 2203: oben die beiden 10-dB-Stufenschalter für den Vor- und Endverstärker (schwarzer und transparenter Ring), darunter das Drehspul-Instrument, bei dem die Ablesung zwischen 0 und 10 dB „recht gut“ funktionierte und dann unten in der Mitte den Drehknopf, mit dem man F (linksrum) oder S (rechtsrum) jeweils mit den Bewertungsfiltern A, B und C sowie Linear wählen und auch das (Oktav)-Filter einschleifen konnte. Einschließlich Oktav-Filter wog dieser Präzisions-„Handschallpegelmesser“ knapp 3 kg.

Schallpegelmesser B und K 2215

Unser Schallpegelmesser konnte also nur F und S; und so war das bei vielen Kollegen auch. Impuls-Schallpegelmesser waren zu teuer. Wir bekamen später einen gebrauchten B&K 2204, den Vorläufer vom 2209, aber mit dem hat sich keiner so richtig angefreundet.

Noch später gab es dann den B&K 2215 mit 30 dB Ablesebereich, eingebautem Oktavfilter und mit nur etwa 800 g ein echtes „Leichtgewicht“. Von da an war der 2203 „außer Betrieb“. Die „Miniaturisierung wurde aber erkauft mit der Beschränkung auf die Frequenzbewertung A und die Anzeigedynamik F.

In Erinnerung an die alten Tischler-Werkzeuge meines Vaters ein Sprichwort:
In der Beschränkung zeigt sich der Meister!

Diese Beschränkung war aber überhaupt nicht einschneidend, denn inzwischen hatte man sich nicht nur in der deutschen Normung und Gesetzgebung, sondern auch international von der „überzogenen“ – wissenschaftlich durchaus richtigen – Betrachtungsweise verabschiedet und benutzte weder die B- und C-Filter noch die Dynamiken S oder I. Ein wesentlicher Grund dafür waren die deutlich geringeren Kosten derartiger Messgeräte, denn viele Überwachungsbehörden, Aufsichtsämter, Unfallkassen und andere waren im Zusammenhang mit Immissionsschutz und Arbeitsschutz mit Geräten auszustatten. Außerdem hatte man festgestellt, dass die freie Auswahl von Bewertungsfiltern oder Anzeigedynamiken durch die messende Person zu Mehrdeutigkeiten zwischen den Ergebnissen verschiedener Mess-Stellen führten. Durch diese Beschränkungen messen jetzt zwar Alle falsch, aber Alle messen „gleich falsch“. Für den Immissionsschutz wurde als „Ersatz“ für bestimmte Geräuscharten das Taktmaximalverfahren festgelegt, nach dem in Taktzeiten von 5 s Dauer die jeweils maximalen Schallpegel  LAF aufgenommen und anschließend energetisch gemittelt werden.

Pegelstatistik- und Mittelungsgerät B und K 4426

Unser erstes digitales Messgerät stammte wieder von Brüel & Kjaer. Das war der B&K 4426, ein Pegelstatistik- und Mittelungsgerät, welches in einstellbaren Taktzeiten zwischen 0,1 s und 10 s Schallpegel-Stichproben in Fast-, Slow- oder Impuls-Dynamik nahm (obwohl hier ja gar kein Zeiger-Instrument mehr vorhanden war) und in 0,25 dB-Stufen klassierte. Aus der Häufigkeitsverteilung wurde dann der Mittelungspegel errechnet. Auch eine Umschaltung zwischen Momentanpegel und Takt-Maximalpegel war möglich. Der Preis für dieses „Wunderwerk“ war damals 12.000 DM und mein Chef sagte bei der Auslieferung „Meine Frau hätte ja lieber einen Brillantring gehabt“. Von den vielen Einstellmöglichkeiten konnte man für jede Messung nur eine wählen.

Um zu klären, welche Einstellung denn für unser Ingenieurbüro die optimale sei, durfte ich bei der PTB in Braunschweig Prof. Rudolf Martin aufsuchen. Ich unterbreitete meinen Vorschlag, für eine einstündige Messung 36.000 Messwerte im 0,1-s-Takt zu nehmen. „Damit schaufeln Sie sich zwar ein Datengrab, aber Sie haben immerhin eine gute Statistik.“ Für diese Auskunft bin ich zweieinhalb Stunden hin- und zweieinhalb Stunden zurückgefahren. Heute würde man eine E-Mail schicken, denn sogar das Telefonieren kommt ja aus der Mode.

Pegelschreiber B und K 2306

Zu diesem Gerät gab es dann sogar einen batteriebetriebenen Pegelschreiber B&K 2306 und damit ist dann auch wieder verständlich, warum der 4426 sowohl die F- als auch die S-Dynamik anbot, obwohl der Leq bei beiden Anzeigearten identisch ist. Aber auf dem Ausdruck konnte man die unterschiedlich hohen Spitzen erkennen. Wir haben durchgängig immer in Fast mit 0,1 s gemessen und nicht nur die Häufigkeitsverteilung in den Pegelklassen, sondern auch die L1, L5, L10, L50, L90, L95 und L99-Perzentile notiert. Ja, tatsächlich: man musste alles aufschreiben; eine Datenspeicherung war noch nicht möglich. Die Anzeige lief mit Sieben-Segment-LEDs und war auch während der Messung die ganze Zeit eingeschaltet. Das fraß eine Menge Batterien (6x1,5-V-Monozellen, später Akkus). Beim Pegelschreiber hielten die ebenfalls sechs Batterien länger.

Echtzeit-Terz-Oktav-Analysator B und K 2131

Die nächste Anschaffung (für die hätte die Frau meines Chefs gleich drei bis vier Brillantringe bekommen können) war dann ein Echtzeit-Oktav-Analysator B&K 2131, eigentlich ein Laborgerät, so groß und schwer wie die damaligen Fernseher und der "Bildschirm" war eine Kathodenstrahlröhre. Der wurde von uns aber auch mit auf die Baustellen geschleppt. Zum Glück waren oben zwei recht stabile Griffe, sodass man ihn mit zwei Personen tragen konnte (aber nicht weit, denn die Griffe waren scharfkantig). Innen drin war es dicht an dicht mit Platinen bestückt, denn auch in diesem Gerät mit digitaler Ausgabe waren noch analog aufgebaute Filter. Und auch dieses Gerät konnte noch keine Messwerte speichern. Sobald man ausgeschaltet hatte, war alles wieder weg.

Ein weiterer Nachteil war bei dem damaligen Gerät auch, dass die Anzeigedynamik mit der Mess- und Beobachtungsdauer gekoppelt war. Hier gab es keine genormten Zeitkonstanten. Bei kurzen Messzeiten war das Gerät flink, bei längeren aber träge und zeigte nur energetische Mittelwerte an. Maschinengeräusche und -schwingungen konnte man sehr gut messen; für die Impulse von Kegelbahnen, damals für uns eine häufige Messaufgabe, war der 2131 aber nur ein „Schätzeisen“. Hervorragend ließen sich auf dem Bildschirm die Einschwingzeiten der verschiedenen Terzfilter demonstrieren. Die sind ja umgekehrt proportional zur Filterbandbreite. Bei den Impulsen lief die Anzeige wie eine Welle von rechts (breite Filter) nach links (immer schmalere) über den Bildschirm.

Heute ist das alles Geschichte; die jüngeren Leser halten diese Berichte für Märchen, die etwas älteren für Sagen, aber die „ganz alten“ wissen, dass das alles einmal wahr war.

Wer heute Schallmessungen ausführt, der misst LAF oder bei längeren Messungen LAeq. Fast alle Regelwerke benutzen diese „einheitlich falschen“ Messgrößen. Hier hat man die „wissenschaftliche Genauigkeit“ zugunsten einer „ingenieurmäßigen Handhabbarkeit“ reduziert.

Und doch gibt es Ausnahmen, denn „fast alle“ Regelwerke sind eben nicht „alle“. Die Schallpegel in dB(A) geben gute Hinweise auf die Lästigkeit von Geräuschen. Ob die geltenden Grenzwerte sachlich oder „nur“ wirtschaftlich begründet sind, soll hier nicht erörtert werden. Die wichtige Ausnahme, die ich hier noch beschreibe, bezieht sich nicht auf die Lästigkeit von Geräuschen, sondern auf die gesundheitliche Gefährdung des Gehörs, eine der häufigsten Berufskrankheiten.

Besonders gehörschädigend sind sehr kurze Schallimpulse, die unser Gehör als "gar nicht so laut" empfindet (hierzu zählen nicht nur die Schläge einer Dampframme sondern auch die vom Hammer eines Zimmermannes). Bei längeren lauten Geräuschen spannen sich die Muskeln im Mittelohr an und hindern Hammer, Amboss und Steigbügel daran, den ganzen Schall zum Innenohr durchzulassen. Diese Muskeln haben aber eine Reaktionszeit von etwa 35 ms. Impulse, die kürzer sind, haben "freie Fahrt". Deshalb misst man im Bereich des Gehörschutzes nicht mit der Zeitbewertung "fast", sondern richtigerweise mit "peak". Bei Schallpegeln mit LCPk > 130 dB können bereits einzelne Impulse das Gehör bleibend schädigen.

A-, B- und C-Bewertungen

Eine Lärmschwerhörigkeit entsteht nicht bei niedrigen Schallpegeln, wo die A-Bewertungskurve eine recht gute Annäherung an die „Normalkurven gleicher Lautstärkepegel“ zwischen 20 und 40 Phon darstellt. Mehr dazu habe ich beim „Rechnen mit Pegeln und dB“ geschrieben. Bei Lautstärken über 80 Phon wäre aber eine Angabe in dB(A) ganz falsch, wenn man nicht Geräuschimmissions-Richt- oder Grenzwerte betrachtet, sondern wenn es um den Schutz der Gehörs geht. Deshalb gibt es die für diesen Bereich die (zwar auch nicht optimal, aber) deutlich besser angepasste C-Bewertungskurve. Bei Schallereignissen mit tieffrequenten Anteilen zeigt der Schallpegelmesser höhere Werte an.

Die unteren und oberen Auslösewerte zur Einleitung betrieblicher Schallschutzmaßnahmen wurden aus der EG-Richtlinie 2003/10/EG übernommen:
Unterer Auslösewert: LAeq = 80 dB(A) bzw.  LCPk = 135 dB(C)
Oberer Auslösewert: LAeq = 85 dB(A) bzw. LCPk = 137 dB(C)

In Bezug auf die Überschreitung des LAeq wird die Einwirkdauer von 8 Stunden betrachtet, für die Überschreitung des LCPk reichen aber bereits einzelne Ereignisse.

Druckluftnagler-Spektren

Um das zu erläutern, durfte ich in einer Zimmerei während des Nagelns mit einem Druckluftnagler ein paar Schallpegelmessungen ausführen. Die Werkhalle hat ein Volumen von etwa 8000m³ und die Nachhallzeit beträgt wegen des vielen dort lagernden Materials weniger als 1,5 s.

Das Mittelwert-Spektrum des Naglers (dargestellt durch die durchgezogene Linie) mit einem Gesamtpegel von LAeq = 96 dB entspricht zwar noch nicht ganz dem eines Dirac-Impulses (oder dem vom weißen Rauschen) mit einem Anstieg von 1 dB/Terz oder 3 dB/Oktave, aber es entspricht auch nicht mehr dem von Rosa Rauschen. Noch auffälliger wird das bei den Maximalpegeln (gestrichelte Kurve) mit jetzt C-bewerteten Gesamtpegel von LCPk = 116 dB. Hier ist der Anstieg noch stärker ausgeprägt. Offenbar wird er bei den Leq-Werten „weggemittelt“.

Wie „gut“ man mit solchen Messungen wegmitteln kann, zeigt die Auswertung einer drei Minuten langen Messung mit dem XL2 von NTi in 0,1-s-Takten (also geringfügig kürzer als die F-Zeitkonstante. Im folgenden Diagramm sind nur die Leq(t)-Werte der einzelnen Takte und der sich über die Messdauer entwickelnde Leq dargestellt. Letzterer fängt bei den ersten Impulsen mit etwa 106 dB(A) an, nimmt dann aber aufgrund der Pausen bis zum Schluss auf 96 dB(A) ab. Das ist schon deutlich höher als der "obere Auslösewert LAeq = 85 dB(A)". 

zeitlicher Verlauf von LAeq

Blendet man in das Diagramm auch die Maximalpegel der einzelnen Takte mit ein, dann tut sich hier noch nicht viel. Bei längeren Taktzeiten als nur 0,1 s werden die Unterschiede aber größer und kommen deutlicher heraus, weil sich dann die Leq(t)-Werte verringern.

zeitlicher Verlauf von LAeq, und LAmax

Betrachtet man aber in Bezug auf den Gehörschutz der Handwerker die C-bewerteten Peak-Max-Level, dann erkennt man im Vergleich zum LAeq gut, dass hier ein erhebliches Potenzial der Gehör-Gefährdung vorliegt. An dem festen Mikrofon-Standort blieb der "obere Auslösewert LCPk = 137 dB(C)" knapp unterschritten. Die unterschiedlichen Abstände zum Nagler, die sich aufgrund von dessen Bewegungen während des Arbeitens am Werkstück ergaben, sind anhand der unterschiedlich hohen Pegelspitzen deutlich zu erkennen. Die Handwerker befinden sich aber ständig nahe am Gerät.

zeitlicher Verlauf von LAeq, LAmax und LCpeak

Für die Schallpegelabnahme mit dem Abstand gelten beim LCPk auch in geschlossenen (auch in halligen) Räumen immer und bei allen Abständen die "Freifeld-Bedingungen" mit einer Pegelabnahme von 6 dB je Abstandsverdoppelung. Beim LAF und auch LAeq tritt zwar eine Überlagerung mit dem Nachhall ein, sodass bei größeren Abständen in halligen Räumen die Pegellabnahme bis nahe 0 zurückgehen kann. Der LCPk wird aber schon vor dem Einsetzen des Nachhalls gemessen. Deshalb bleibt es dort auch bei größeren Abständen bei der Freifeld-Situation. Dieser Effekt ist ganz zu Anfang des Pegelschriebes gut zu erkennen, als der Nagler sich von der Mikrofon-Position entfernte.

Wie gut, dass man so etwas heute vor Ort (und somit außerhalb von Hochschulen und Laboren) schnell und einfach sachgerecht messen kann!

 

Aber noch immer müssen sich Alle, Ingenieure ebenso wie Wissenschaftler,

die Frage stellen (oder stellen lassen), welcher Wert denn nun "der wirklich richtige" ist.

Darauf gibt es (mindestens) drei Antworten:

1. Hinweis auf die zulässigen Toleranzbereiche (3 dB) bzw. Klasseneinteilungen (5 dB)

2. "Ein dB ist kein dB"  im Gegensatz zu  "0 dB + 0 dB = 3 dB"

3. "Ich glaube nur den Messwerten, die ich selbst gefälscht habe."